155 - Kriminalfall Kaprun
bin, ausgebaut und am Ende der Woche nach Wien ins KTZ -Labor gebracht worden ist.«
»Haben Sie auf Herausgabe der Beweismittel und Untersuchungsergebnisse gedrängt?«
»Natürlich.«
»Herr Muhr, es tut mir leid, wie mit Ihnen verfahren wird. Ich werde mich dafür einsetzen, dass sich das bald bessert. Ich werde über die vorgesetzten Dienstbehörden Druck auf die Ermittler ausüben, damit sie endlich kooperieren.«
»Danke, Frau Doktor. Wir werden sehen.«
Als Danninger-Soriat den Hörer auflegt, ist auch sie sich ihrer Sache nicht mehr sicher. »Wir werden sehen«, wiederholt sie leise und informiert ihren unmittelbaren Vorgesetzten über die für sie unerträglich schlechte Zusammenarbeit mit der KTZ . Sie ersucht ihn zum wiederholten Mal um Unterstützung auf Ebene der Behördenleitung und darüber hinaus.
Kapitel 19
Samstag, 27. 1. 2001, zweieinhalb Monate nach der Katastrophe. Hauptgutachter Anton Muhr hat von der KTZ noch immer keinen Heizlüfter oder irgendwelche Untersuchungsergebnisse erhalten. In wenigen Tagen soll in Kaprun die aufwändige Bergung des Unglückszuges und des Gegenzuges beginnen. 14 Männer der Österreichischen Bundesbahnen werden die 30-Meter-Garnituren in die Talstation ablassen. 15 Millionen Schilling soll das Unterfangen kosten.
Muhr ist zum Wochenende heim nach Reutte gefahren, um Kraft für die kommende Woche zu tanken. Seine Frau und er machen sich gerade fertig für einen ausgedehnten Spaziergang mit den beidenSchäferhunden, als das Telefon läutet. Ein Gutachterkollege ist dran. Er wirkt aufgebracht. »Toni, ich glaube das einfach nicht. Du musst dir das aktuelle profil besorgen.«
»Was ist los?«
»Da ist ein Artikel über die Kaprun-Katastrophe drinnen. Dort sagt der KTZ -Chef, dass die Bergung der Züge eine einzige Verschwendung von Steuergeldern ist. Das Zitat lautet: ›Wir haben diese Bergung von Anfang an nicht für nötig befunden, aber auf uns haben sie nicht gehört.‹ Zitat Ende. Kannst du mir das erklären?«
Muhr kramt in der Jackentasche nach seiner Pfeife. »Nein, das kann ich dir nicht erklären. Die KTZ hat sich bisher immer für die Bergung ausgesprochen.«
»Das ist noch nicht alles. Die zitieren einen anonymen KTZ -Mitarbeiter und der sagt, die Ursache für den Brand soll der Heizlüfter in der talseitigen Führerkabine des Zuges gewesen sein. Die schreiben, dass der Ermittlungsbericht der KTZ praktisch abgeschlossen ist.«
»Das ist wirklich Chuzpe. Sie kennen die Brandursache? Warum geben Sie uns dann nicht die Unterlagen? Ich habe diesen Heizlüfter noch nie zu Gesicht bekommen.«
Muhr vergisst, seine Pfeife zu stopfen. »Kannst du mir den Artikel faxen?«
Eine Stunde später, Muhr hat den Artikel gleich dreimal gelesen, setzt er sich an den Computer und schreibt, auch im Namen seiner Gutachterkollegen, an das Gericht. Er droht damit, sein Mandat als Gutachter zurückzulegen. »Unter diesen Voraussetzungen«, schreibt er, »wird eine weitere Zusammenarbeit mit der KTZ nicht möglich sein.«
Bei Staatsanwaltschaft und Gericht herrscht Entrüstung über den Artikel im führenden österreichischen Nachrichtenmagazin profil . Er ist ein klarer Affront der KTZ gegen die Justiz. Danninger-Soriat sieht die Rolle von Franz Lang kritisch. Es läge auch an ihm, die Befindlichkeitsstörungen der von ihm beigezogenen KTZ -Mitarbeiterzu beseitigen und eine Zusammenarbeit mit den Gerichtsgutachtern zu erwirken, findet sie.
Längst hat die Staatsanwältin Muhr im Wege der Untersuchungsrichterin angewiesen, sich von der KTZ zu distanzieren und sich auf seine eigenen Untersuchungen zu konzentrieren. Dabei sagen ihm Staatsanwaltschaft und Gericht volle Unterstützung zu. Das bedeute zwar manchmal Doppelgleisigkeiten in den Ermittlungsschritten, die Danninger-Soriat und die Untersuchungsrichterin aber als unerheblich bewerten.
In einem Schreiben hält die Staatsanwältin fest: »Ich bin nicht mehr bereit, zeitliche Verzögerungen des Verfahrens wegen Befindlichkeitsstörungen von Ermittlern aus welchem Grund auch immer in Kauf zu nehmen. Der Blick der Weltöffentlichkeit ist auf Kaprun gerichtet, und alle warten auf die rasche Klärung der Unfallursache. Außerdem werfen insbesondere die Amerikaner und deren anwaltliche Vertreter den österreichischen Ermittlern medial immer wieder Ermittlungsfehler, Beweismittelunterdrückung und -vernichtung sowie schlampiges Vorgehen vor. Ein öffentlich ausgetragener Streit über Kompetenzen und Beweismaterial
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