155 - Kriminalfall Kaprun
den Druck. Erneut fordert sie die ausständigen Beweismittel und Unterlagen ein.
Währenddessen hat ein Nebengutachter die anwesenden Gendarmen in die Pflicht genommen und nach dem Heizlüfter befragt.»Wir können die Beweismittel innerhalb von drei Stunden herbeischaffen«, sagt ein Gendarm und erntet ungläubige Blicke der Gutachter. Am Nachmittag sind die Beamten des Landesgendarmeriekommandos wieder in der Linzer Halle – mit dem Heizlüfter.
Muhr weiß nicht, ob er sich freuen soll, eher ist ihm nach Weinen zumute. Vier Monate nach der Katastrophe bekommt er erstmals das wichtigste Beweisstück zu Gesicht. »Vier Monate«, grummelt er halblaut in sich hinein und schüttelt den Kopf.
Der Heizlüfter wurde offensichtlich von der KTZ schon im Dezember 2000 an das Landesgendarmeriekommando Salzburg zur Asservierung übersandt, ohne dass das Gericht, die Staatsanwaltschaft oder die Gutachter darüber in Kenntnis gesetzt worden wären. Das Landesgendarmeriekommando hat seinerseits nicht darüber informiert.
Erleichtert ist Muhr jedenfalls, das Gerät endlich zu haben. Wichtiger wären ihm aber eigentlich die Untersuchungsergebnisse des Heizlüfters, damit endlich bewiesen wäre, dass das leicht entflammbare Öl in den Heizlüfter eingedrungen ist.
»Es fehlen die Bretter und die Dämmwolle«, sagt Muhr zu den Gendarmen.
Diese Bretter liegen ihnen nicht vor, antworten die Gendarmen, und sie wissen auch nicht, wo sie sein könnten.
Da meldet sich der Betriebselektriker der Gletscherbahn zu Wort. Er ist als »Insider« in die Untersuchungen an den Zügen eingebunden. Er hat auch, gemeinsam mit einem Kollegen und unter Aufsicht der KTZ -Beamten, den Heizlüfter im Tunnel ausgebaut. »Die Lärchenholzbretter? Die liegen doch im Zug, und zwar im Lastenabteil«, sagt er.
Schnell holt sich Muhr eine Stehleiter und steigt in den Bergwagen des »Gletscherdrachens«. Als er ins Lastenabteil schaut, traut er seinen Augen nicht. Da liegen jene Bretter, die er bisher nur von Fotos der KTZ kennt, ungeschützt, unverschweißt und gegen jeden üblichen Standard der Beweissicherung verstoßend auf dem Boden.
Muhr erinnert sich. Auf den Fotos der KTZ hat er rötliche Ölantragungen auf den noch nicht ausgebauten Brettern entdeckt. Jetzt liegen die im Dreck, denkt er.
Am 5. April verlässt ein Schreiben das Innenministerium, unterzeichnet vom KTZ -Chef und adressiert an die Untersuchungsrichterin. Mehr als drei Wochen ist es her, dass die Untersuchungsrichterin - nach dem Eklat in der Vabio-Halle und dem endgültigen Bruch zwischen den Gutachtern und den KTZ -Beamten - unmissverständlich und nachdrücklich die sofortige Herausgabe aller Untersuchungsergebnisse an die Gutachter eingefordert hatte. In dem Schreiben formuliert der KTZ -Chef: »Da das Erstschreiben vom 13.3.2001 am Aktenweg im Innenministerium verloren ging, handelt es sich bei diesem Schreiben um eine mittlerweile ergänzende Fassung der damals unmittelbar nach Ihrem Ersuchen um Preisgabe der in der Causa Kaprun zur Verfügung stehenden Informationen.«
Darüber hinaus heißt es darin, dass sie bereits alles übermittelt hätten, und zwar an die Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos in Salzburg. Erst jetzt wird also auch die Untersuchungsrichterin vom Innenministerium in Kenntnis gesetzt, dass Beweisstücke bereits in Salzburg lagern.
Muhr erhält postwendend das Schreiben, weil darin auch eine Auflistung aller von der KTZ durchgeführten Untersuchungen zu finden ist. Endlich hat er Klarheit über den Ermittlungsstand.
Es ist Anfang April, knapp fünf Monate sind seit der Katastrophe vergangen. Doch in der Auflistung fehlt etwas Entscheidendes. Unter dem Titel »Sicherstellung Heizlüfter« steht, dass ihn das Landesgendarmeriekommando am 5. Dezember ausgehändigt bekam. Aber Muhr sucht vergeblich die Ergebnisse der Untersuchung des Heizlüfters und von dessen Einbausituation. Ebenso fehlen die chemischen Analysen der Ölantragungen am und im Heizlüfter und die Untersuchung der nachträglich verbauten Lärchenholzbretter und der Dämmwolle. Die Ermittler des Innenministeriums haben dies entweder nicht untersucht, was sich Muhr nicht vorstellenkann, oder, denkt Muhr, sie haben diese Fragen untersucht, die Ergebnisse an die Untersuchungsrichterin und an ihn aber nicht weitergegeben. Wofür er schon gar keine Erklärung hätte.
Ein weiterer Ermittlungsschritt der KTZ ist in dem Schreiben genannt: »Beschaffung eines Vergleichsgerätes (des
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