155 - Reiseziel: Mars
Jahrhunderts erinnerte. Allerdings wurde es von großen Propellern an Bug und Heck angetrieben.
»Das ist die Bradbury-Chaussee.« Der Mann neben ihm deutete auf eine breite Schneise zwischen den Gebäuden. Auf ihr glitten Fahrzeuge in zwei Reihen hin und her, an ihren Seiten bewegten sich Menschen so schnell, als würden Förderbänder sie transportieren. »Gleich erreichen wir das Regierungsgebäude.«
Der Gleiter war auf wenige Dutzend Meter hinuntergegangen und näherte sich jetzt in einer engen Schleife einem weißen Spindelturm, dessen Spitze von Wolken verhüllt wurde. Das Gebäude war höher als alle anderen, die Matt bisher gesehen hatte. Die Fassade, so weit sie nicht aus einem transparenten Material bestand, war grünlich oder von einem unwirklich strahlenden Weiß.
Die durchweg weißen Spiralgänge schienen nach einem bestimmten System rund um den Turm angeordnet zu sein, und auch die Spitze, so weit die Wolken sie nicht einhüllten, strahlte weiß. Der Anblick schlug Matthew in seinen Bann.
Der Großraumgleiter landete in einer Halle, die sich etwa siebzig Meter über dem Marsboden im zentralen Turmkörper öffnete. Die beiden Marsianer stiegen aus und winkten den Erdmann aus dem Transportraum. Draußen warteten bereits die Kommandantin, der Bordarzt und Angelis, der Pilot.
»Und? Wie war der Flug?« Angelis lächelte sein herablassendes Lächeln.
»Eine unglaubliche Stadt.« Drax wandte sich demonstrativ an Maya Joy. »Ich bin sprachlos.«
Maya Joy antwortete nicht. Überhaupt wirkte sie merkwürdig ernst und geistesabwesend; wahrscheinlich wegen des bevorstehenden Berichtes vor dem Rat. Der Arzt fasste Drax am Arm und führte ihn vom Gleiter weg in das Innere der Halle. »Nun, unsere Vorfahren haben den Städtebau und die Architektur auf der Grundlage irdischen Know-hows aus dem frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts weiter entwickelt. Die Ästhetik und die Technik der Alten allerdings hat sie stark beeinflusst.«
»So weit wir überhaupt Hinterlassenschaften dieser Kultur kennen«, beeilte sich Leto Angelis hinzuzufügen. »Viele Zeugnisse sind uns ja nicht geblieben. Und von den meisten entdeckten fehlt uns die Beschreibung ihrer Funktion. Die Schrift der Alten haben wir nie entschlüsseln können.«
Die Alten – war es nicht seltsam, dass die Marskolonisten für die untergegangene Marskultur den gleichen Begriff benutzten wie die postapokalyptische Menschheit für die westlichen Kulturträger vor dem Kometeneinschlag?
Irgendwann, wenn Trauer und Verlustschmerz vernarbt waren, wenn seine eigene Zukunft sich geklärt hatte und sein Kopf wieder frei war, würde er sich die Spuren dieser Alten einmal ansehen.
Maya Joy, Angelis und der Arzt führten ihn zu einer von sechs Liftsäulen. Kein weiter Weg, doch Matt Drax spürte plötzlich einen Anflug von Kurzatmigkeit. Auch Palun Saintdemar schien es zu bemerken, denn er sah ihn prüfend von der Seite an. »Man wird Ihnen eine Sauerstoffmaske zur Verfügung stellen, Commander«, sagte er.
»Wann?«
»Bald«, antwortete Maya Joy an seiner Stelle. »Auch passende Kleider und vernünftige Stiefel warten bereits auf Sie. Wir haben Ihre Maße nach Hause durchgegeben, während Sie im Kälteschlaf lagen.«
»Oh, sehr freundlich…« Mehr fiel ihm dazu nicht ein.
Vermutlich wäre es unhöflich gewesen, jetzt noch auf ein Mitspracherecht im Hinblick auf Farbe und Schnitt zu bestehen; und außerdem sinnlos.
Ein eigenartiger Geruch lag in der Luft, metallen irgendwie.
Vielleicht auch nur ein ungewohnter Geruch. Durst meldete sich, und ein Anflug von Kopfschmerzen. Sie stiegen in den Lift, eine ovale Kapsel schloss sie ein und trug sie nach oben.
Nach wenigen Sekunden hielt der Lift an; in halber Höhe des Turmbaus, schätzte Drax.
»Zeit, Abschied zu nehmen«, sagte Maya Joy. »Sie steigen hier aus, Commander. Wir fahren hinauf zur Turmspitze. Dort liegen Präsidium, Ratszentrale und Kabinettssaal. Die Räte erwarten unseren Bericht, wie Sie wissen. Danach bereiten wir uns auf den nächsten Mondflug vor.« Sie reichte ihm die Hand.
»Leben Sie wohl… Maddrax.«
Matt öffnete die Lippen, doch kein Wort wollte von seiner Zunge. Abschied? Schon wieder? So ergriff er nur behutsam die dargebotene Hand und hielt sie ein paar Sekunden lang fest.
In Mayas schönen Augen las er, dass sie vor dem Rat für ihn eintreten würde. Und dass sie mehr nicht für ihn tun konnte.
Sie entzog ihm die Hand, nickte und senkte den Blick.
Der Bordarzt hob grüßend
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