155 - Reiseziel: Mars
der Wahrheit entsprechen, dürfen wir mit ihrer lebenslangen Verbannung rechnen. Ein schreckliches Schicksal, aber im Rat wird jeder heimlich aufatmen.« Die wegen Mordverdacht festgenommene Ratsdame wurde ebenfalls die Treppe hinunter und zu einem Großraumgleiter geführt. Angeblich hatte sie auf der Mondstation eine von der Erde kommende Urahnin des Hauses Tsuyoshi getötet. Unvorstellbar eigentlich; die Entdeckung fast noch mehr als der angebliche Mord.
»Haben sie im Hause Braxton schon einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für sie berufen?«, wollte der Patriarch wissen.
»Ihre Beraterin wird ihr Amt übernehmen, Kyra Jolana Braxton.«
»Die Metallurgin und Triebwerksspezialistin?«
Ettondo nickte.
»Das ist eine gute Nachricht!« Jarro Fachhid Gonzales rieb sich die welken Hände.
»So ist es, verehrter Jarro Fachhid, und wir dürfen mit Recht darauf hoffen, dass Sie sich einen Berater suchen wird, der die Raumfahrt ebenfalls befürwortet.«
Noch immer beobachteten beide Männer den Monitor. Der Erdmann hatte das Fahrzeug schon fast erreicht. Seine beiden Begleiter kostete es einige Mühe, ihn festzuhalten.
»Sieh nur, was für große Schritte er macht.« Wieder kicherte der Patriarch des Gonzaleshauses. Diesmal amüsierte er sich über den Fremden. »Er kämpft mit der geringen Schwerkraft. Wenn sie ihn nicht gut festhalten, wird er noch über den Gleiter springen.«
»Glaub ich nicht.« Ettondo schüttelte den Kopf. »Denk doch, wie dünn unsere Luft für ihn sein muss. Wenn die Sauerstoffkonzentration in seinen Erythrozyten erst einmal sinkt, werden ihm die großen Schritte von allein vergehen.«
Jetzt schoben sie den Erdmann durch die Heckluke des Gleiters und stiegen hinterher. Die Ratsdame Meta Khalem Braxton führte man zu einer Luke hinter dem Cockpit des Großraumgleiters. Nacheinander stiegen auch die übrigen Besatzungsmitglieder des Mondshuttles ein. Der Gleiter startete und hob ab.
Die Kameraführung erlaubte jetzt einen Blick zur Aussichtsterrasse des Raumfahrtzentrums. Sie war voller Menschen. Auch vor dem Gebäudekomplex selbst und vor allem auf dem Dach des Parkhauses hatten sich Tausende von Bürgern versammelt. »Sie haben Fernrohre und Feldstecher mitgebracht«, sagte der Patriarch. »Sieh nur, wie sie glotzen!«
Er kicherte schon wieder. »Als hätte der Gleiter eine transparente Karosserie…«
Unter normalen Umständen wäre Jarro Fachhid Gonzales ebenfalls zum Raumhafen gefahren, um den Erdmann zu sehen. Als in Ehren aus dem Amt geschiedenes Ratsmitglied hätte er sogar das Recht gehabt, die Besatzung der PHOBOS am Ausstieg Willkommen zu heißen. Er hatte jedoch keine Möglichkeit, sich zum Raumhafen oder sonst wohin bringen zu lassen, und schon gar nicht war er in Ehren aus dem Amt geschieden. Beides hatte unmittelbar miteinander zu tun.
Der Patriarch schaltete den Monitor aus, und das Bild verblasste.
Für die Übertragung hatte übrigens die Außenkamera eines Regierungsfahrzeugs gesorgt. Eigentlich illegitim, doch als Patriarch eines Hauses mit besten Verbindungen zum Ratsdelegierten des eigenen Hauses standen einem Möglichkeiten offen, über die Normalsterbliche nicht ohne weiteres verfügten.
Mit kraftvollen Bewegungen seiner Arme und Hände steuerte er seinen Rollstuhl zu einem Arbeitspult vor der Fensterfront des Raumes. Hinter ihr ragten Kuppeln und Wohntürme auf. Zwei Luftschiffe schwebten vorüber. In der Ferne konnte man die Konturen des Elysium Mons mehr ahnen als sehen.
»Welche Pläne hat der Rat?« Der Patriarch faltete seine kräftigen Hände auf der Pultplatte.
»Offiziell sind für heute der Bericht von Expeditionsleitung und Kommandantin geplant. Für morgen dann die Vernehmung des Erdmanns.«
»Und inoffiziell?«
»Dame Cansu Alison Tsuyoshi hat eine Spezialistin beauftragt, den Fremden auf Schritt und Tritt zu begleiten, eine Regierungsmitarbeiterin. Sie beherrscht einige alte Sprachen und die Geschichte der Erde vor der Marsexpedition.«
»So, so, eine Spezialistin…« Der Patriarch spielte mit den letzten weißen Haarsträhnen, die ihm noch geblieben waren.
Einsamen Fransen gleich hingen sie ihm von seinem spitzen Kahlkopf. »Unsere verehrte Dame Präsidentin will sich wohl einen Informationsvorsprung verschaffen.«
»Es sieht ganz danach aus.«
»Und was hast du dem entgegen gesetzt?«
»Ich hatte Gelegenheit, die Garderobe zu begutachten, die wir dem Erdmann während seines Aufenthaltes auf dem Mars zur Verfügung stellen.«
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