155 - Reiseziel: Mars
Tsuyoshi! Wir mussten davon ausgehen, dass er unschätzbare Daten enthält. Und im Grunde genommen tat er das ja auch – oder ist das Jahrhunderte alte Bewusstsein eines Tsuyoshis etwa kein Wert an sich? Es waren Missverständnisse, die zur Katastrophe führten. Missverständnisse und ein Mordversuch…«
»Auch das ist leider wahr«, bestätigte Maya Joy in das aufkommende Getuschel hinein. »Wäre Naoki Tsuyoshi nicht gestorben, hätte das Bewusstsein ihres Sohnes, Aiko Tsuyoshi, gewiss mit uns zusammengearbeitet.« In diesem Punkt war sie keineswegs sicher, doch jetzt ging es darum, sich mit guten Argumenten zu verteidigen. »So aber wollte er den Tod seiner Mutter rächen. Ohne Commander Drax’ Hilfe übrigens wäre es uns nicht gelungen, den Wahnsinnigen abzuschalten. Ohne ihn wäre die PHOBOS samt ihrer gesamten Besatzung verloren gegangen.«
Geraune und Stimmengewirr gerieten außer Rand und Band.
Erregung machte sich breit, einige Räte und Berater begannen heftig miteinander zu diskutieren. Die Präsidentin erhob ihre Stimme. »Unbestritten bleibt: In dieser Sache haben Sie versagt, Dame Maya Joy Tsuyoshi!« Cansu Alison wurde so laut, dass sofort wieder Ruhe einkehrte. »Und ich fürchte leider, Ihre Einschätzung des Erdmannes könnte erneut zu einer Katastrophe führen! Wir werden unser eigenes Urteil fällen, sobald wir den Halbbarbaren vernommen haben!«
Maya presste die Lippen zusammen. Vorbei. Das Schicksal des Commanders aus der Vergangenheit war so gut wie besiegelt. In der Miene ihrer jüngeren Cousine las sie es.
Neben ihr sprach der zierliche Fedor Lux leise in seinen Armbandrechner. »Ich für meinen Teil bin am Ende meines Berichts«, sagte die Kommandantin der PHOBOS. »Sollten Sie noch Fragen haben – Herr Angelis, Herr Saintdemar und ich stehen Ihnen zur Verfügung.« Sie lehnte sich in ihren Sessel zurück. Das 3D-Feld im Zentrum der Tafelrunde erlosch.
Nach einigen Sekunden des Schweigens eröffnete Ettondo Lupos Gonzales den Fragereigen. Er interessierte sich in erster Linie für das Shuttle, mit dem der Erdmann und die Tsuyoshi-Urahnin von der Erde zur Raumstation und von dort zum Mond gelangt waren. Leto Angelis beschrieb die Queen Victoria mit knappen Sätzen und verwies auf den zu erwartenden Bericht von den Laboratorien der Phoboswerft.
Die alte Dame des Rates, Merú Viveca Saintdemar, erkundigte sich nach den Umständen, unter denen das Bewusstsein Aiko Tsuyoshis auf einem Datenkristall gespeichert werden konnte. Maya Joy erklärte es, so gut sie konnte. Im Wesentlichen gab sie wieder, was sie von Matthew Drax gehört hatte. Auch dass das Aiko-Wissen bereits zwei Erdjahre alt war.
Ettondo Lupos’ Beraterin, eine Albina namens Isbell Antara Gonzales, wollte mehr über die tote Tsuyoshi wissen. Der Bordarzt Palun Saintdemar stand ihr Rede und Antwort. Er hatte Naoki untersucht und konnte einige Details ihres durch Implantate funktionsfähig gehaltenen Körpers beschreiben und erläutern.
Das nun war den Vertretern des Hauses Braxton Anlass genug, endlich gegen die Festnahme von Meta Khalem Braxton zu protestieren. »Bis jetzt habe ich Vermutungen, Behauptungen und Gerüchte gehört!«, rief Meta Khalems Nachfolgerin, die Neurätin Kyra Jolana Braxton ins Plenum.
»Wo aber bleiben die Beweise? Im Namen des Hauses Gonzales fordere ich hieb- und stichfeste Beweise!«
Auch ihr Berater, ihr Sohn Hendrix Peter Braxton, hatte keinerlei Hemmungen, sich lautstark zu Wort zu melden, dabei saß er zum ersten Mal am Kabinettstisch. Ein Cyborg, der zu über fünfzig Prozent aus elektronischen Relais und Prothesen bestehe, sei eben zu über fünfzig Prozent kein wirklicher Mensch, und seine Neutralisierung – genauso drückte er sich aus: »Neutralisierung« – sei folglich auch kein Mord im Sinne der auf dem Mars gültigen Gesetze. Außerdem habe noch kein Jurist geklärt, inwieweit die auf dem Mars gültigen Gesetze auf neutralem Territorium in Kraft seien, sprich: in einem Raumschiff. Kurz: Die Ratsdame Meta Khalem sei unverzüglich freizulassen.
Augenblicklich brach ein Sturm der Entrüstung los. Vor allem die Ratsmitglieder aus den Häusern Gonzales und Angelis stimmten der Argumentation von Hendrix Peter Braxton und seiner Mutter zu. Maya hatte den Eindruck, dass es deren Fantasie überforderte, sich eine Ratsdame als Mörderin vorzustellen. Die Präsidentin, ihr Berater und die Vertreterinnen des Hauses Saintdemar verteidigten die Verhaftung vehement.
So ging es eine
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