155 - Reiseziel: Mars
schwarzen Feder im Band. Ihre feinen Züge spiegelten noch den Abglanz längst verwelkter Schönheit. »Wir wünschen Ihnen jedenfalls einen angenehmen Aufenthalt auf unserer Welt.« Irgendwie hatte sie etwas Rührendes in ihrer Art zu sprechen und zu schauen, und der Mann von der Erde schöpfte Zuversicht. Dass man ihn nicht Willkommen hieß, merkte er zunächst gar nicht. »Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn wir einige wenige Fragen an Sie richten?«
»Ganz und gar nicht«, versicherte Matt. Er spielte mit dem Gedanken, unaufgefordert am runden Tisch Platz zu nehmen, ließ es dann aber doch bleiben. Jetzt nur keinen Fehler machen.
»Das freut uns, Commander Drax«, lächelte die alte Dame.
»Sie befinden sich hier vor der Regierung des Mars, dem Rat. Das ist unsere Präsidentin, Dame Cansu Alison Tsuyoshi.« Sie wies auf eine streng dreinblickende, überraschend junge Frau.
»Mein Name ist Merú Viveca Saintdemar. Man hat mich gebeten, als Ratsälteste dieses Gespräch zu moderieren.«
Matt wunderte sich ein wenig, weil ihm die anderen Ratsmitglieder nicht vorgestellt wurden. Die alte Marslady deutete auf die Erdkugel. »Sehen Sie die roten Punkte auf dem Globus?« Matt nickte. »Das sind einige alte Städte auf der Erde, deren Namen wir dem Bericht der Dame Maya Joy Tsuyoshi entnommen haben: Riverside, New York, Washington, Berlin, London. Wären Sie so freundlich, uns in eigenen Worten zu schildern, welche Bedeutung diese Städte… ähm…« Als wollte ihr das richtige Wort nicht einfallen, machte sie eine Verlegensgeste. »Nun, welche Rolle diese Städte in Ihrem Lebenslauf spielen?«
Matt schürzte die Lippen. Sein Blick wanderte über die meist ausdruckslosen Gesichter der Regierungsmitglieder. War er naiv gewesen, als er sich ein Gespräch auf gleicher Augenhöhe vorgestellt hatte? Das hier war nicht einmal ein Gespräch, das hier war schlicht und ergreifend ein Verhör.
»Ich wiederhole mich nicht gern, aber gut…« Kurz entschlossen schritt er an den Tischkreis, zog einen freien Sessel hervor und setzte sich. »Riverside war ein Vorort von Los Angeles, falls Ihnen das etwas sagt. Dort bin ich zur Welt gekommen. Das war am 26. Januar des Jahres 1980.« Er zog sich die Sauerstoffmaske unter das Kinn. »Mein Vater flog damals für die US Army, meine Mutter machte gerade ihre ersten Schritte als Immobilienmaklerin…«
Unter dem Tisch ballte der Mann von der Erde die Fäuste, doch er bekam seinen Ärger in den Griff. Ein wenig lauter als gewöhnlich, aber mit klarer Stimme skizzierte er sein Leben.
»… im ehemaligen New York City habe ich an der ehemaligen Columbia University studiert. Europäische Geschichte, und in den Nebenfächern Deutsch und Französisch…«
Matthew Drax gehörte nicht zu den Männern, die gern über sich selbst sprachen, weiß Gott nicht. In diesem speziellen Fall aber zwang er sich dazu. Je mehr Details, desto glaubwürdiger, sagte er sich. »… ich meldete mich bei der Army, vielleicht ein Fehler, denn hätte ich’s nicht getan, würde ich jetzt nicht hier sitzen. Aber ich wollte Pilot werden, wie mein Vater. Deswegen studierte ich von 2000 bis 2004 an der United States Air Force Academy in Colorado. Seitdem bin… war ich Offizier der ehemaligen US Air Force.« Er schickte ein sarkastisches Lächeln in die Runde. »Für mich liegt das gerade mal vierzehn Jahre zurück. Aus Ihrer Perspektive fünfhundertundachtzehn… Erdjahre, wohlgemerkt. Wie auch immer – anschließend, während der Religionskriege, war ich ein Jahr auf der Andrew Air Force Base bei Washington, DC stationiert – die ehemalige Hauptstadt der USA, falls ihnen der Name nichts sagen sollte – und dann ging es über den großen Teich nach Berlin, Deutschland. Dort unterhielt die US Army einen Luftwaffenstützpunkt; in Berlin Köpenick, um genau zu sein. Mein Geschwaderkommandeur hieß Major Richard Bellmann. Aber das ist alles Vergangenheit, Ladies und Gentlemen – die Army, Deutschland, Köpenick, Bellman. Der Komet hat mit allem Schluss gemacht. Ihre Vorfahren haben Glück gehabt; was mich betrifft, bin ich nicht ganz sicher. 2007 haben sie mich zum Commander befördert, vielleicht interessieren Sie sich ja für solche Feinheiten. Meine Dienstnummer lautet…«
»Gute Geschichte«, fuhr ihm die Ratspräsidentin dazwischen. Zynisch funkelte sie ihn an. »Sehr gute Geschichte…«
»Meine Geschichte, Ma’am…«
»Man spricht uns hier mit ›Dame‹ und ›Ratspräsidentin‹ an, hat die
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