1552 - Tolots Terror
an; sie war oft tagelang kaum zu Hause und für Baron Singhai nicht zu sprechen.
Sie redeten ohnehin fast nicht miteinander.
Manchmal dachte sie, daß sie sich nur deshalb noch so sehr in Arbeit vergrub, weil sie das Schweigen nicht, ertragen konnte.
An diesem Tag jedoch rief Baron sie in sein Zimmer. „Prina! Ich muß mit dir reden!"
Erschöpft trat sie ein und ließ sich in einen Sessel fallen. Der Raum hatte sich mit der Zeit in eine Art Müllhalde verwandelt, auf der in völliger Unordnung Computerprints, benutztes Geschirr und technische Geräte herumlagen. „Worum geht es, Baron?" fragte sie. „Kann ich dir helfen? Das würde mich freuen. Ich hoffe, du weißt das."
Prina versuchte, ihm mit wachem Geist zu begegnen. Eine solche Gelegenheit bekam sie nicht oft. Er war jetzt zwölf Jahre alt, und sie fand kaum noch Zugang zu ihm. „Ja, ich weiß", antwortete er. „Deshalb wende ich mich ja an dich."
In letzter Zeit hatte er als Grundton für seine Haarfärbungen ein tiefes Schwarz gewählt, und daraus hervor schauten die Augen wach und analytisch. „Sieh her, Prina: Ich versuche, mit dem Computersystem die näheren Umstände der Besiedlung des Teshaar-Systems und des Mondes Sagno Ciff zu erforschen ..."
„Wozu?" fragte sie wie aus der Pistole geschossen. „Nur aus Interesse. Wie alles, was ich tue. Jedenfalls bin ich auf Schwierigkeiten gestoßen, und du könntest mir helfen, damit fertig zu werden. Ab einem bestimmten Ablagealter tragen die meisten Speichereintragungen Sperrvermerke. Ich möchte, daß du diese Vermerke umgehst. Als Leiterin der Stadt dürftest du befugt sein."
Sie dachte ein paar Sekunden nach - und konnte nichts finden, was an seinem Wunsch falsch gewesen wäre. „Natürlich helfe ich dir. Die Sperrvermerke bestehen nur, weil zum Abruf bestimmter Dateien erst auf die Datenbänke von Lingora zurückgegriffen werden muß. Das ist teuer. Zu teuer, als daß es jedes Kind ohne Kontrolle dürfte."
„Ich bin froh, daß ich nicht jedes Kind bin."
Sein Sarkasmus verletzte sie. Dennoch stellte sich Prina mit verkniffenem Gesicht vor den Lehrer, ließ sich identifizieren und gab zu Barons Gebrauch sämtliche Kanäle frei. Anschließend verließ sie grußlos das Zimmer.
*
Trotz ihrer Tätigkeit bemerkte sie, daß der Junge immer häufiger auf lange Entdeckungsfahrten in die Mondwildnis aufbrach. Sie hatte nichts dagegen, und in Wirklichkeit lieferten diese Entdeckungsfahrten ihr nur den Vorwand, sich ihrerseits von ihm zurückzuziehen.
Dabei beherrschte Baron die Gedankenwelt der Linguiden in einem Maß, das sie selbst noch nicht begriffen hatte.
Monate vergingen.
Für Prina brach eine Phase großer Verunsicherung an, in der nur die Arbeit ihr die Sicherheit gab, deren sie bedurfte. Der Neubau der Schaltzentrale machte ungeahnte Fortschritte.
Bald bedurfte es keiner Hilfe anderer Leute mehr; nur noch sie und Kogano Mint überwachten die Arbeiten. „Nun, Kogano? Was meinst du?"
Soeben hatten die Robots die letzte Platte der Außenhülle eingesetzt.
Vor ihnen stand ein kegelförmiger Bau, dessen Rundungen sich gut in die Umgebung fügten.
Der andere gab ein grummelndes Geräusch von sich. Überrascht drehte sie sich um zu ihm. „Es gefällt dir nicht?"
„Sicher... Aber ich muß mit dir reden, Prina. Das wollte ich schon lange tun. Doch immer wieder habe ich es hinausgeschoben. Die Fertigstellung der Hülle hatte ich mir als letzten Termin gesetzt."
„Na schön, Kogano."
Prina hatte ein ungutes Gefühl, wenn sie in sein Gesicht sah. Die Behaarung lag wie immer in kunstvoller Wellenform, seine stämmige Figur wirkte wie ein Sinnbild der Kraft auf sie. Aber etwas in seinen Augen beunruhigte die Frau. In diesem Augenblick wäre sie gern ein Schlichter wie Honn gewesen - dann hätte sie die Zeichen lesen können.
So jedoch mußte sie sich überraschen lassen. Mit offenen Augen ins Verderben rennen.
Gemeinsam setzten sie sich auf eine grob behauene Felskante, die am rückwärtigen Teil der Zentrale in den Berghang überging. Ein paar Ausläufer des Kuppelsystems lagen noch über ihnen, doch auf den Großteil des Lichtermeers blickten sie hinab. Eine Menge Cifftons waren unterwegs. Dort auf den Straßen hätte sie jetzt auch sein mögen. In relativer Sicherheit. „Also, Kogano!" Ihre Stimme klang fest. „Was gibt es?"
„Ich habe mich oft gefragt, weshalb du nicht mit einem Partner zusammenlebst.
Du bist keine sehr junge Frau mehr, aber auch noch nicht zu
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