1552 - Tolots Terror
weit entfernten Gebirgskamm. „Halt, Haluter! Hier ist es! Siehst du?"
Sein erster Blick fiel auf die Sonnenaureole, die am Horizont noch immer im Steigen begriffen war. Aber schon eine Sekunde später hatte er die flache Kuppel entdeckt. Es handelte sich eindeutig um ein kleines, transportables Fort von dreißig Metern Durchmesser, das irgend jemand hier zurückgelassen hatte. Seine scharfen Augen erkannten Fenster, Schießscharten, eine Tür. Außerdem war das Material so stark verwittert, daß Meteoriten gezackte Löcher in die Wände gesprengt hatten. Der Linguide hatte die Wahrheit gesagt. „Gut, Singhai. Dein Teil der Abmachung ist erfüllt, das war dein Glück. Du kannst absteigen."
Der Linguide sprang mit einem Satz von seiner Schulter. In der geringen Schwerkraft landete er auf beiden Beinen, federte etwas nach und tat ein paar Schritte rückwärts. „Ich kann nicht hierbleiben", sagte er. „Ich habe Angst. Ich will mein Kima nicht verlieren."
Tolot widmete ihm keinen Blick mehr.
Er legte die ersten Meter mit einem langen Sprung den Abhang hinunter zurück, dann näherte sich der Haluter etwas vorsichtiger.
Ortungen? Nichts. Es gab keine energetische Aktivität. Nur Baron Singhai entfernte sich irgendwo hinter dem Gebirgskamm mit seinem Anzug.
Die Tür machte einen relativ intakten Eindruck. Im Staub davor waren die Fußspuren eines Linguiden noch deutlich sichtbar, und Tolot erkannte sofort den entlarvenden Widerspruch. Fußspuren...
Anhand der Abdrücke im Staub errechnete Tolot überschlägig, daß sie mit mehr als neunzig Prozent Wahrscheinlichkeit von dem Linguiden stammten. Dabei hatte Singhai behauptet, er verliere in der Nähe des Forts sein Kima! Das sei gleichbedeutend mit seinem geistigen Tod, dem Erlöschen seiner Seele gewesen.
Also hatte er es doch gewagt, einen Haluter hereinzulegen. Und Tolot war aufgrund der Erfahrungen mit linguidischem Kima darauf hereingefallen.
Baron Singhai floh mit hohem Tempo. Im Augenblick jedoch hatte der Haluter kein Interesse daran, den anderen einzuholen. Dieses Fort war authentisch, kein Zweifel, und gewiß steckte keine Fälschung dahinter. Wahrscheinlich hatte Singhai ihn einfach aus Sagno Ciff weglocken, vielleicht nur Adan Valodol und die anderen befreien wollen. Dabei ahnte er nicht, welche Bedeutung dieser Fund für den Haluter hatte.
Von außen gab es keine Chance, Alter und Herkunft des Forts zu bestimmen. Also näherte sich Tolot mit höchster Aufmerksamkeit der Tür. Seine Handlungsarme stießen die Öffnung auf, ein Auge war ständig auf die Orter gerichtet. Nichts geschah. Hinter der Tür tat sich ein Korridor auf, dessen Wände sonderbarerweise noch intakt waren. Vielleicht steckte in diesem Fort doch mehr als beim ersten Anblick erwartet.
Er fing bereits zu glauben an, daß er Glück gehabt hatte, als plötzlich die Meßwerte seines Armbands in die Höhe schnellten.
Verdammter Singhai Baron!
Tolot erkannte typische Kurven. Im Innern der Kuppel ging ein Reaktor durch! Und was das bedeutete, wußte er nur zu gut: Hinter den Trick, dem scheinbaren Angebot des Linguiden, stand ein kaltblütiger Mordanschlag! Jedes andere Lebewesen wäre rettungslos verloren gewesen. Zu wissen, daß man noch wenige Sekunden zu leben hatte... Dahinter steckte eine furchtbare Grausamkeit, die er einem Linguiden niemals zugetraut hätte.
Sein Planhirn jedoch rechnete binnen weniger Sekundenbruchteile die Alternativen durch.
Noch im selben Augenblick schnellte sich der Haluter rückwärts.
Exakt vier Sekunden lang brachte er so viel Raum wie möglich zwischen sich und das Fort, dann rammte er Beine und Arme in den Boden und bremste so. Mit allen Gliedmaßen zugleich wühlte er sich in die Erde. Zum kritischen Zeitpunkt hatte er eine Tiefe von zwölf Metern erreicht.
Tolot aktivierte seien Schutzschirm, verhärtete sein„Molekularstruktur zur Festigkeit von Stahl, und eine halbe Sekunde später erfolgte die Detonation des Reaktors.
Ein riesiger Krater wurde aufgeworfen. Wellen von freigesetzter Energie liefen durch den Boden, schleuderten alles in die Luft, zerfetzten seinen Schutzschirm. Mit der Geschwindigkeit eines Geschosses wurde er einen halben Kilometer über den Mond gewirbelt.
Aber der Haluter überlebte.
Sein Körper schlug in eine natürliche Barriere aus Stein. Dort blieb er hängen. Als Sekunden später Ruhe eingekehrt war, wühlte sich Icho Tolot vorsichtig ins Freie. Der Schutzanzug hing in Fetzen vom Körper, doch weder an den
Weitere Kostenlose Bücher