1558 - Im Griff der Hölle
Exorzist gearbeitet hat?«
»Nein. Und es ist auch nicht bewiesen, nur weil wir hier die Utensilien sehen.«
»Da denke ich anders.« Sean Kilrain ließ seine rechte Hand über der Vitrine schweben. »Ich kann Sie verstehen, John, aber ich sage Ihnen, dass ich darüber informiert gewesen wäre, wenn Pater Alvarez als Exorzist gearbeitet hätte. Diese Männer sind registriert. Sie werden letztendlich von der Kongregation bestellt. Ich kenne mich da aus. Sein Name war nicht darunter. Tut mir leid, wenn ich Ihre Hoffnungen zerstören muss.«
»Das tun Sie gar nicht, denn ich bleibe dabei. Oder glauben Sie, dass es nur offizielle Exorzisten gibt? Kann es nicht auch welche geben, die nur von sich aus handeln? Die sich dazu berufen fühlen, so etwas in die Wege zu leiten, ohne dass sie den Segen der Kirche haben?«
»Meinen Sie als Hobby?«
Ich überhörte den leichten Spott, der in seiner Frage mitgeklungen hatte. »Nein, schon aus Überzeugung. Hobby ist etwas anderes, denke ich. Oder es kommt beides zusammen.«
»Das weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, welchen Weg der Pater gegangen ist. Ich möchte ihn nicht verdammen.«
»Das tue ich auch nicht«, sagte ich und griff nach dem Kreuz, um es umzudrehen.
Bisher hatte ich nur auf das Holz an der Rückseite geschaut. Jetzt fiel mein Blick direkt auf die Figur des Gekreuzigten. Sie hing so am Kreuz wie unzählige andere auch. Ob groß oder klein. Da waren die Nägel zu sehen, ebenfalls die Dornenkrone, aber etwas war anders und unterschied dieses Kreuz von allen anderen.
Die Gestalt hing mit dem Kopf nach unten. Und ihr Körper war so schwarz, als wäre er verbrannt…
***
Beide sahen wir die Figur, und der Anblick verschloss uns beiden zunächst die Lippen.
Ich hörte, wie mein Nebenmann scharf den Atem einsaugte, dann den Kopf drehte und mich anschaute.
»Wollen Sie eine Erklärung?«, fragte ich.
»Ja, wenn Sie eine haben.«
»Das ist nicht einfach, aber ich lege Ihnen meine Gedanken offen. Pater Alvarez mag zwar gute Absichten gehabt haben, aber er war nicht stark genug. Die andere Seite war ihm über. Sie hat ihn gezwungen, sich letztendlich ihr zuzuwenden, und dann befand er sich im Griff der Hölle.«
Sean Kilrain trat einen Schritt zurück. Er knetete sein Kinn und war sicherlich dabei, seine Gedanken zu ordnen.
»Dann muss er sich dem Teufel zugewandt haben.«
»Ja, so kann man das sehen. Es kann auch sein, dass er geholt worden ist. Die andere Seite versucht es immer wieder, und er hat sich dagegen nicht wehren können.«
»Ja, das kann sein. Aber ich will es nicht glauben oder nicht ganz. Er ist ja gestorben. Warum?«.
»Das weiß ich nicht. Da kann ich nur raten. Möglicherweise hat er sich noch gegen die andere Macht gewehrt. Sein Tod war auch nicht normal, das wissen wir beide zu genau. Er wird in einem ungeheuren Zwiespalt gewesen sein. Er hat sich dann nicht mehr für die eine oder andere Seite entscheiden können und ist schließlich geholt worden, ohne dass er sich richtig dagegen wehren konnte. So könnte es gewesen sein.«
»Was nicht der Wahrheit entsprechen muss.«
»Richtig, Sean. Aber schauen Sie sich das Kreuz an. Es ist verändert. Die Figur hängt mit dem Kopf nach unten. Sie strebt nicht dem Himmel entgegen, sondern der Hölle. Genau das ist es, was die andere Seite wollte, und sie hat es geschafft.«
Es waren schon harte Worte, mit denen sich der Vertreter des Bischofs und der Weißen Macht beschäftigen musste. Ich konnte mir vorstellen, dass meine Worte und auch die Entdeckungen am Fundament seines Glaubens gerüttelt hatten. Er hatte das Böse jetzt konkret erlebt, was bei mir und meinem Job öfter der Fall war.
»Im Griff der Hölle«, flüsterte Kilrain. »Dann soll sie also gesiegt haben?«
»Nur in diesem Fall. Nicht im Ganzen. Aber sie versucht es immer wieder. Dass sie das Kreuz unter ihren Einfluss gebracht hat, ist natürlich für sie das Größte.«
»Und weiter?«
Ich sagte mit leiser Stimme: »Es ist jetzt an der Zeit, den Beweis dafür zu finden, ob ich mit meiner Meinung richtig liege.«
»Wie wollen Sie das schaffen?«
Ich lächelte.
»Es wird ein Test sein«, sagte ich dann, »und nicht mehr. Aber ein besonderer, denn ich stelle das Kreuz gegen das Kreuz. Es wird den Urkampf in einer anderen Form und auf einer anderen Ebene geben.«
»Da bin ich gespannt.«
»Das dürfen Sie auch.«
Ich vertraute auf meinen Talisman. In diesem Augenblick wurde mir erneut deutlich bewusst, dass ich der Sohn des
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