1558 - Im Griff der Hölle
beginnen Sie damit, sich selbst die Knochen zu brechen. Das ist Wahnsinn. Das ist auch so gut wie unmöglich.«
»Das sollte man meinen.«
»Aber?«
Ich winkte ab. »Belassen wir es dabei, Sean. Wir müssen abwarten, und wir müssen mehr Informationen sammeln. Erst dann werden sich die Dinge klären lassen. Das hoffe ich zumindest.«
»Ja, das ist wohl alles, was wir tun können.«
Die Antwort hatte sich nicht eben optimistisch angehört. Der Mann, der äußerlich eine so große Kraft ausstrahlte, war jetzt recht klein geworden. Obwohl er es nie zugeben würde, ging ich davon aus, dass er unter einer starken Angst litt. Dazu reichte ein Blick in sein Gesicht aus, das sehr angespannt wirkte.
Wir rollten auf das Haus des Küsters zu und sahen einen Mann im Vorgarten stehen.
Sein Kopf wurde von einer Wollmütze bedeckt. Er trug einen langen Mantel und hielt einen Besen in der Hand, mit dem er etwas zusammenfegte.
Als wir aus dem Auto stiegen, lehnte er den Besen gegen einen grauen Findling und schaute uns mit leicht zusammengekniffenen Augen entgegen.
Wir brauchten kein Tor aufzustoßen, um den Garten zu betreten.
»Wie gut kennen Sie Martin Bloom?«, fragte ich meinen Nebenmann.
»Nicht besonders gut, wir haben uns einige Male unterhalten. Das ist alles gewesen.«
»Verstehe.« Ich ließ Kilrain vorgehen, der den Küster mit einem Händedruck begrüßte. Danach stellte er mich vor, und Martin Bloom nickte mir kurz zu.
»Worum geht es denn?«, fragte er.
»Um Pater Alvarez«, antwortete Kilrain.
Im hageren Gesicht des Küsters zuckte es. Er wischte seine Handflächen an den Mantelseiten ab und schüttelte den Kopf.
»Aber der ist doch tot«, sagte er.
»Ja, und begraben.«
»Was soll denn noch an ihm interessant sein?«
»Er hat bei Ihnen gewohnt«, stellte Kilrain fest.
»Richtig.«
»Und was ist mit seinem Zimmer?«
»Es steht leer.«
»Haben Sie dort etwas verändert?«
»Nein, das habe ich nicht. Ich wäre auch nicht auf den Gedanken gekommen. Ich gehe davon aus, dass seine Sachen abgeholt werden. Und zwar von Ihnen, Mr. Kilrain.«
»Ja, das hatte ich vor. Aber zunächst möchten wir uns das Zimmer des Verstorbenen ansehen. Ist das möglich?«
»Sicher. Ich habe die Tür nicht verschlossen und auch das Fenster nicht zugenagelt.«
»Dann können wir ins Haus?«
Er nickte. »Gehen Sie nur. Sie kennen sich ja aus. Meine Frau ist nicht da. Sie ist zu einer Freundin hier im Ort gegangen. Wenn es gleich dunkel wird, kommt sie zurück.«
Ich hatte mich bisher aus dem Gespräch herausgehalten. Jetzt stellte ich meine erste Frage.
»Ist Ihnen, Mr. Bloom, bei Pater Alvarez etwas aufgefallen? Ich denke da an die Zeit kurz vor seinem Tod.«
Er warf mir einen bösen Blick zu, als hätte ich etwas Schlimmes gesagt. »Was meinen Sie denn damit?«
»So, wie ich es sagte. Hat sich das normale Verhalten des Paters in auffälliger Weise verändert?«
»Nein, das hat es nicht.«
»Sind Sie sicher?«
»Er hat sich verhalten wie immer.«
»Und wie sah das aus?«
Der Küster schaute unruhig an uns vorbei. »Es war eben normal. Er hat seine Predigten gehalten. Er war auch mal in anderen Orten. Manchmal hat er bei uns am Tisch gesessen und mit uns gegessen. Er war viel in der Kirche. Er hat Beichten abgenommen, und ansonsten ist er in seinem Zimmer geblieben.«
»Allein?«
»Klar.«
Ich hakte weiter nach. »Er erhielt also niemals Besuch?«
»Genau.«
Der Küster zeigte mir zwar ein abweisendes Gesicht, ich gab trotzdem nicht auf.
»Können Sie sich vorstellen, was er in seinem Zimmer getrieben hat, wenn er allein war? Hat er vor dem Fernseher gesessen?«
»Nein, den gab es da auch nicht. Auch keinen Computer. Er hat sich beschäftigt, er hat studiert. Er hat viel gelesen. Genau das ist es. Er - er - war sehr wissbegierig.«
»Okay«, sagte ich, »das ist ja nichts Schlechtes. Hat er mit Ihnen denn über die Dinge gesprochen, für die er sich interessierte?«
»Nein. Er war immer tief in Gedanken versunken, und ich weiß von meiner Frau, dass er in der letzten Zeit noch weniger gesprochen hat als vorher. Er war sehr in sich gekehrt. Meine Frau war später der Meinung, dass er seinen Tod vorausgeahnt haben muss. Ob das zutrifft, weiß ich nicht.«
»Und sonst?«
»Nichts. Er hat mit mir nur wenig gesprochen. Er ging seinen eigenen Weg.«
»Und wie verhielt es sich mit den Kontakten zu den übrigen Bewohnern hier in Conna?«
Der Küster überlegte. Dann hob er die Schultern an und blies die
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