156 - Auf dem roten Planeten
Toga über seinen gelben Overall geworfen und einen flachen Magistratshut aufgesetzt, ebenfalls schwarz. Es geziemte sich nicht, einer Dame wie der Kommandantin bei einem derart hochoffiziellen Anlass ohne ein Minimum an formeller Garderobe gegenüber zu treten.
Auf einem der Parkwege schritten die fünf Männer der Fensterfront des Turms entgegen. Vom Stadtpanorama war kaum etwas zu sehen, Wolken waren plötzlich aufgezogen. Ein Luftschiff hatte angelegt. Aus der offenen Glasfront schoben zwei Männer einen Rolltisch. Eine kleine Gruppe Menschen folgten ihnen.
»Die Dame Maya Joy Tsuyoshi verdient unser aller Respekt«, sagte Ginkgoson zu seinen Männern. »Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass sie gegen ein Gesetz verstoßen hat, werden Sie ihr höflich und mit ausgesuchter Freundlichkeit begegnen. Haben Sie mich verstanden?«
»Verstanden, Herr Magister.« Die vier Exekutiver bestätigten nacheinander.
Die beiden Männer am Rolltisch trugen knöchellange, anthrazitfarbene Mäntel und rote Stiefel, Handschuhe und Hüte. Auf dem Rolltisch lag ein Sarg, dunkelblau und voller filigraner Schnitzereien. Die sieben oder acht Menschen dahinter waren in dunkelgraue oder anthrazitfarbene Togen oder Umhänge gehüllt und trugen rote Hüte oder rote Kopftücher, die allesamt mit schwarzen Federn geschmückt waren. Ein Trauerzug.
Neronus Ginkgoson und sein Exekutivquartett blieben stehen und ließen den Toten und die Hinterbliebenen passieren.
Als der Sarg an ihnen vorbei geschoben wurde, verneigten sie sich. Die Hinterbliebenen, sieben Frauen, zwei Männer und ein Kind, schienen keine Notiz von ihnen zu nehmen. Ein ungewöhnlich kleiner Trauerzug, registrierte der Magister beiläufig. Er und seine Männer gingen zum Aufzug. Als die Lifttür sich vor ihnen schloss, schoben die Bestatter den Sarg gerade in das Luftschiff. Im Aufzug roch es nach Badeöl. Die Zelle vibrierte, als sie anfuhr.
»Und dass mir keiner den Neuroblocker aus der Tasche holt«, sagte der Magister, als er mit seinem Exekutivquartett vor dem verschlossenen Eingang zu Maya Joy Tsuyoshis Suite stand. Er berührte den für Besucher bestimmten Sensor persönlich. Der löste ein akustisches Signal innerhalb der Suite aus – meist Musik – und aktivierte ein Holofeld, in dem der Bewohner seinen Besucher sehen und hören konnte.
»Es tut mir Leid, wenn ich Sie störe, Dame Maya Joy.«
Neronus Ginkgoson verneigte sich kurz. »Ich hoffe, Sie hatten einen überaus angenehmen Tag und werden heute noch in den Genuss weiterer schöner Stunden gelangen. Der Rat schickt mich zu Ihnen. Alles Weitere würde ich Ihnen gern unter vier Augen erklären. Darf ich Sie bitten, zur Tür zu kommen?«
Er atmete tief durch, und wartete. Keine Antwort. Nun, vielleicht hielt sie sich gerade in einem Hygieneraum auf oder war schon zum Eingang unterwegs. Neronus wandte sich ab und lief ein paar Schritte zwischen einem Außenfenster und dem Eingang zur Tsuyoshi-Suite hin und her. Durch das Fenster sah er, wie das Luftschiff ablegte, Kurs nach Westen nahm und zwischen Wohntürmen, Laufbändern und Pyramidenspitzen allmählich davon schwebte.
Der Friedhof – Elysium hatte nur einen – lag im Südosten der Stadt, doch Neronus Ginkgoson fieberte der Begegnung mit der Dame Kommandantin entgegen und hatte in diesen Minuten keinen Sinn für derartige Ungereimtheiten.
Niemand öffnete die Tür, niemand meldete sich aus der Suite. Wieder und wieder legte der Magister seine Hand auf den Sensor und sagte seinen Spruch auf, doch nichts tat sich.
Reichlich betreten betrachtete Magister Neronus Ginkgos die Eingangstür. War denn niemand zu Hause? Vor dreißig Minuten hatte doch von hier aus noch jemand eine PAC-Verbindung genutzt. Der Magister hatte das überprüfen lassen.
Er klopfte, er berührte den Sensor, er sagte seinen Spruch auf – nichts.
»Also gut, nutzen wir unsere Befugnisse und gehen wir ungebeten hinein.« Er griff unter seine Toga und zog ein schmales Kärtchen aus der Brusttasche seines Overalls. Das schob er in den Schlitz unter dem Türknopf. Ein Code, der nur ihm zur Verfügung stand, öffnete sämtliche Türen zu Häusern und Wohnungen von Regierungsmitgliedern.
Die beiden Türflügel verschwanden in der Wand, Neronus Ginkgoson trat ein. Es roch nach Badeöl. Die Männer des Exekutivquartetts folgten ihm durch das Foyer, in den Salon, vorbei am offenen Reinigungsraum und in die Schlafräume.
Niemand zu sehen. Auch auf der Terrasse nicht.
Neronus trat an
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