156 - Die Rache der Schattenfrau
Seine Berührung tat mir gut. Ich spürte, wie die Schrecken der vergangenen Stunden von mir abfielen. Gern hätte ich den jungen Herrn noch in mein Haus eingeladen, doch ich wußte, daß ich von diesem Tag an nicht vorsichtig genug sein konnte. Wenn der Präsikant Bernhard Rothmann ein Abgesandter des Satans war, würde er mich mit seinem Mißtrauen verfolgen.
Ich ließ Christoph von Waldeck gehen und verkroch mich in meinem Haus. Mein Entschluß, Münster zu verlassen, stand fest.
Es war still in dem schmutzigen Verlies.
Dorian Hunter, Coco Zamis und Don Chapman blickten die Schattenfrau nachdenklich an.
Der Hermaphrodit Phillip kauerte neben Coco, die immer noch ihren Arm um seine Schultern gelegt hatte. Sein Blick war in die Leere gerichtet.
Christoph von Waldecks Blick war klar. Er war maßlos schockiert von dem Gehörten. Seine blassen Lippen zitterten, und als Dorian sah, daß er etwas sagen wollte, gab er ihm ein Zeichen, zu schweigen.
Die Erzählung der Schattenfrau hatte Dorians Vermutungen bestätigt. Die Mutter des Dämons Beatha Wolf war identisch mit Isolde, der Tochter des Schauspielerprinzipals Cherves Apillion. Doch er hatte nicht gewußt, daß Isolde ihn geliebt hatte. Sie war damals ein leichtfertiges Mädchen gewesen, das sich der fleischlichen Lust hingegeben hatte.
Beatha Wolf jedoch war nur ein Spielball in Zakums Händen. Genau wie es der Ghoul Thoragis gewesen war, den Elisabeth Wandscherer vor vierhundertfünfzig Jahren als Bernhard Rothmann kennengelernt hatte.
Und Zakum führte die Befehle des Fürsten der Finsternis aus.
In den Gängen des Ghouls unter der St. Lambertikirche hätte Zakum die Möglichkeit gehabt, den Dämonenkiller zu töten. Er hatte es nicht getan. Das konnte nur bedeuten, daß Luguri etwas von ihm erfahren wollte.
Dorian war sicher, daß Zakum nicht für immer verschwunden war. Er mußte wissen, daß der Dämonenkiller Münster nicht verließ, bis er Beatha Wolf und auch die Schattenfrau unschädlich gemacht hatte.
Noch war er sich nicht darüber im klaren, welche Rolle die Schattenfrau spielte. Nach allem, was er bisher gehört hatte, war die Untote durch Beatha Wolfs Erscheinen in Münster auferweckt worden. Er fragte sich, was Kommissar Krombach inzwischen unternehmen würde. Das Verschwinden Christoph von Waldecks und seiner Besucher würde ihm eine Menge Rätsel aufgeben.
Die Schattenfrau hielt immer noch ihr Schwert. Sie war ein wenig von Christoph von Waldeck abgerückt, doch ihren glühenden Augen sah der Dämonenkiller an, daß sie immer noch bereit war, ihren vermeintlichen Geliebten eher zu töten, als ihn freizulassen.
„Sie haben Jan van Leyden geheiratet, Elisabeth", sagte Coco in die Stille. „Warum haben Sie das getan, wenn Sie glaubten, daß der Satan von den Wiedertäufern Besitz ergriffen hatte?"
Die Schattenfrau starrte Coco an. Ihr Blick glitt dann zu dem an der Wand kauernden Christoph von Waldeck, der den Kopf fröstelnd zwischen die Schultern zog.
Erst nach einer Weile begann sie wieder leise zu sprechen.
Kommissar Manfred Krombach war bleich wie eine gekalkte Wand.
„Welcher Idiot hat diesem Rogalski erzählt, daß der Verrückte mit Hunter und seiner Frau spurlos verschwunden ist?" fragte er Leskien mit keuchender Stimme.
Leskien schluckte.
„Keine Ahnung, Chef."
„So. Wovon haben Sie eigentlich Ahnung, Leskien? Wieso kommt es, daß sämtliche Mädchen, die beschattet werden sollten, plötzlich ebenfalls spurlos verschwunden sind?
„Ich habe keine Ahnung", wiederholte Leskien. „Sämtliche Männer behaupten, niemanden aus den Häusern kommen gesehen zu haben. Langsam glaube ich auch an Dämonen, Chef. Das alles kann nicht mit rechten Dingen zugehen. Und das Sendschwert ist auch noch nicht wieder aufgetaucht. Wenn Rogalski erst spitzkriegt, daß der Mord an Gabi Brock vielleicht damit verübt wurde, ist der Teufel los."
„Suchen Sie die Mädchen, Leskien", preßte Krombach hervor. „Es darf nichts mehr geschehen!" „Was ist mit dem Haus Ludwig Wolfs in der Ludgeristraße?"
„Nichts, verdammt! Der Richter hat den Durchsuchungsbefehl nicht unterschrieben. Die Verdachtsmomente erschienen ihm ziemlich weit hergeholt, wie er sich ausdrückte. Er ist persönlich bekannt mit Ludwig Wolf und kennt seine junge Frau. Hätte ich ihm erzählt, daß Beatha Wolf nach Hunters Ansicht eine Dämonin ist, hätte er wahrscheinlich einen Haftbefehl für mich ausgestellt." „Was ist, wenn Hunter recht hat und Beatha Wolf wirklich
Weitere Kostenlose Bücher