1566 - Das Musical-Gespenst
verloren…
***
Es war uns gelungen, einen Verantwortlichen selbst um diese frühe Tageszeit aufzutreiben. Der Mann war so etwas wie ein Hausmeister. Er musste erst aus seiner Wohnung geholt werden. Er gehörte zu den Männern, die nicht eben gute Laune ausströmten. Seine wenigen schwarzen Haare war nach vorn gekämmt. Er sah aus wie ein Bodybilder, trug ein giftgrünes T-Shirt, unter dessen Stoff sich die Muskelpaketeabzeichneten, und hörte auf den Namen Further.
Den Schlüssel musste er erst aus seiner Bude holen.
»Was suchen Sie eigentlich?«, fragte er, als er eine Tür auf schloss, die sich an der Seite des Zeltes befand.
»Das wird sich noch zeigen«, erwiderte Bill.
»Soll ich eine Führung machen?«
»Nein. Wir würden nur gern in den Bereich unter der Bühne gehen. Wie ich erfuhr, soll es dort so etwas wie ein Lager geben. Oder eine Requisitenkammer.«
»Das ist wahr.« Further schüttelte den Kopf. »Aber was wollen Sie dort eigentlich?«
»Das werden wir noch sehen.« Bill ging ziemlich forsch ran. Verständlich nach dem, was sein Sohn hier erlebt hatte.
Wir hatten das Foyer betreten, und ich geriet schon ins Staunen, denn so groß und auch exquisit hätte ich es mir nicht vorgestellt. Von außen hatte das Zelt diesen Eindruck nicht gemacht. Da die Türen zum Zuschauerraum nicht geschlossen waren, gelang mir ein Blick in den Saal, der sich ebenfalls von seiner Größe her nicht zu verstecken brauchte. Die Sitze waren halbkreisförmig aufgebaut und stiegen von der breiten Bühne weg leicht an.
»Wollen Sie auch in den Zuschauerraum?«, fragte Further leicht ungeduldig.
»Nein. Nur nach unten.«
»Dann los.«
Wir gingen einem Hinweisschild nach, auf dem das Wort Garderobe zu lesen war. Dieser Bereich war alles andere als elegant. Es roch nach Schminke und Parfüm, und ein nicht eben starkes Licht sorgte dafür, dass wir nicht über unsere eigenen Füße stolperten. Einige Künstler hatten die straff gespannte Innenwand des Zeltes besprayt mit irgendwelchen witzigen Sprüchen.
Als Further stehen blieb, um eine Tür aufzuschließen, fand ich die Zeit, einen Spruch zu lesen, der mich amüsierte.
»Was macht eine Eskimofrau auf einer Eisscholle? Abtreiben natürlich.«
Die Künstler hatten wirklich Humor.
»Die Treppe runter«, wies uns Further an.
Das war kein Problem, auch wenn die Stufen aus Holz und recht steil waren. Further hatte zudem Licht eingeschaltet, das uns in die unterirdische Welt begleitete.
Uns empfing ein Geruch, der zu dieser morbiden Theaterlandschaft passte. Staubig, auch irgendwie vergänglich. Dazu hätte gepasst, wenn Spinnennetze über unsere Gesichter geglitten wären, doch davon blieben wir verschont.
Further ging hinter uns her. »Was suchen Sie eigentlich?«, wollte er wissen.
Bill gab die Antwort. Er war auf der letzten Treppenstufe stehen geblieben. »Eine Truhe.«
»Aha.«
»Kennen Sie sich hier aus? Vielleicht können Sie uns helfen, sodass wir nicht zu lange suchen müssen.«
»Das hätten Sie gleich sagen können. Sie müssen sich nach rechts wenden.«
»Gut.«
»Ich gehe vor.« Further drängte sich an uns vorbei.
Wir blieben hinter ihm und tauchten tiefer in dieses Gewölbe, in dem sich einiges angesammelt hatte.
Uns interessierten die Requisiten nicht, dafür Further, der vorging. Bill Conolly hielt sich neben mir. Ich hörte sein leises Lachen und dann seine Stimme.
»Das hat Johnny so beschrieben. Er war hier.« Bill lachte. »So kann es weitergehen. Wenn wir die Leiche gefunden haben, beginnt das große Aufräumen. Ich sage dir, dass es bald kein Musical-Gespenst mehr geben wird.«
»Warten wir es erst mal ab.«
Erwartet wurden wir hier unten nicht. Weder von einem Menschen noch von einem Geist. Ich spürte auch keine Warnung meines Kreuzes, alles blieb im grünen Bereich.
Further hob seinen rechten Arm und schwenkte ihn nach rechts. »Da müssen wir hin.«
An einem Garderobenständer gingen wir vorbei, und dann waren es nur noch ein paar Schritte, bis wir die Stelle erreicht hatten, an der die Truhe stand.
»Da ist sie!«
Ich drängte mich vor. »Bitte, machen Sie Platz. Ich möchte sie gern öffnen.«
»Die ist bestimmt leer. Oder alte Lumpen liegen…«
»Überlassen Sie das uns.«
Suko war an mich herangetreten. Er wollte mir helfen, den Deckel zu lösen, was kein Problem war. Es gab keine Schlösser, die ihn hielten.
Es geschah mit einem Ruck. Ich hatte schon in den letzten Sekunden Herzklopfen bekommen, schaute in die Truhe
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