1567 - Die Auserwählten
des Springervolkes. Ich traf Dorina Vaccer und Aramus Shaenor dort und habe mit ihnen gesprochen."
„Auf Rusuma? Herrscht da Krieg?"
„Nein", sagte Alai zögernd. „Sie sind dort, um die Springer auf ihre Seite zu ziehen.
Verstehst du nicht, Hagea? Wir Friedensstifter sollen der Galaxis eine neue Ordnung bringen, und in diesem Sinne wirken die beiden."
„Das ist nicht ihre Aufgabe", versetzte Hagea barsch. „Sie sollen Frieden stiften, nicht Unfrieden."
„Ich sorge mich darum weit weniger als du. Ist es nicht normal, wie sich die Dinge entwickeln? Mit der Verlängerung der Lebensspanne verschieben sich auch die Perspektiven. Das, was du Unfriede nennst, ist nur vorübergehend von Übel, und die Galaktiker werden es nicht einmal negativ bemerken."
„Woher hast du diese Weisheit?"
„Ich höre mit viel Sorge dein Mißtrauen, Hagea. Frage dich einmal, wer sich so sehr verändert hat.
Dorina Vaccer und die anderen? Oder du? Seit wann trauen wir Friedensstifter uns gegenseitig nicht mehr?"
Beschämt schlug sie die Augen nieder. Hagea Scoffy preßte die Lippen aufeinander und gestand sich ein, daß in Frando Alais Worten viel Wahres steckte. „Ich werde darüber nachdenken", versprach sie. „Nur eine Frage habe ich noch: Was die beiden anderen ins Rusuma-System führte, weiß ich jetzt, auch wenn ich es nicht billige. Aber was hattest du dort zu suchen? Welcher Art war dieser Zufall?"
Frando Alai antwortete nicht sofort. „Ich hatte einiges mit ihnen zu besprechen."
„Was?"
Der andere versteifte sich, antwortete dann aber widerwillig: „Es soll wieder ein Treffen aller Friedensstifter geben, so heißt es. Über den Anlaß kann ich noch nichts verraten. Nur so viel: Der Termin liegt wahrscheinlich im Dezember 1172 NGZ."
Hagea erhob sich ohne ein weiteres Wort. Sicher, sie hatte Mißtrauen gehegt, und sie stand dazu.
Doch war dieses Mißtrauen wirklich ungerechtfertigt? Wie kam es sonst, daß Frando Alai ihr so offensichtlich einen Teil der Wahrheit verschwieg?
*
Die gelbe Sonne Rusuma lag in einem Kugelsternhaufen, den die Galaktiker M13 nannten, etwas über vierzig Lichtjahre von Arkon entfernt.
Bereitwillig wurde ihr auf der Hauptwelt Archetz Landegenehmigung erteilt. Dies wäre noch vor wenigen Monaten nicht zwingend so gewesen, dachte sie. Dorina Vaccer und Aramus Shaenor hatten gute Arbeit geleistet.
Die Delphinschiffe der beiden standen nebeneinander auf dem Raumhafen, und von den Besatzungen erhielt sie die Information, wo sie ihre Artgenossen treffen konnte. Hagea nahm sich ein Automattaxi. Erstmals lernte sie eine der zivilisierten Welten des Galaktikums näher kennen. Der Eindruck erschreckte sie; Archetz war eine Wüste aus Glas und Metall, Pflanzen waren entweder ausgerottet oder nur am Rand der Gebäude anzutreffen.
Dorina Vaccer und Aramus Shaenor sprachen gerade in einem Gebäude, das zwei Kilometer in den Himmel ragte. Hagea traf sie in einem Saal aus Kunststoff. Beide winkten ihr freundlich zu, und die versammelten Springer schlossen sich der Geste an.
Eine fürchterliche Vision bemächtigte sich sekundenlang ihrer. Hagea sah im Geist das Volk der Linguiden auf einer Welt dahinvegetieren, die dieser glich. Ohne Freude, ohne Aufrichtigkeit, dem Streben nach einem irrealen Ziel verpflichtet.
Aramus Shaenors Worte rissen sie aus der Versunkenheit. Der, dem damals mit so viel Respekt begegnet war, sprach heute von Neuordnung und gemeinsamen Anstrengungen. Und mit jeder Silbe wandte er das Talent an; selbst wenn die Springer seinen Worten hätten widerstehen wollen - sie hätten es nicht gekonnt.
Ein solcher Mißbrauch trieb ihr Tränen in die Augen.
Als sie gehen wollte, stand plötzlich Dorina Vaccer hinter ihr. Die andere sah sie durchdringend an.
Diese Frau wußte genau, wie es in ihr aussah. Sie waren Feinde von heute an.
Fassungslos über ihre eigenen Gedanken, schüttelte Hagea heftig den Kopf. Wie konnte sie so dumm sein? Was ging in ihr vor, daß sie plötzlich Gedanken von Feindschaft hegte?
War sie nicht mehr imstande, unterschiedliche Auffassungen von Gegnerschaft zu unterscheiden? Sie würdigte Dorina Vaccer keines Blickes mehr, trat an der Frau vorbei und rannte nach draußen. Es hatte angefangen zu regnen. Bis sie ein neues Taxi gefunden hatte, waren ihr Haar und ihre Kombination triefend naß.
Zumindest fielen so die Tränen nicht auf. Erst in der DARMIR besann sich Hagea wieder auf ihre Ausbildung als Friedensstifterin. Hatte sie nicht gelernt,
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