1567 - Die Auserwählten
Frieden der Linguiden!"
„Denkst du nicht", meinte sie vorsichtig, „daß du unser Volk überschätzt?"
Er wölbte überrascht die dichtbewachsenen Augenbrauen. Sein fast geschlossenes rechtes Auge blieb dabei unter einer Locke versteckt. „Überschätzen? Onein! Nicht ich schätze die Linguiden ein.
Das hat ES für uns getan, Hagea! Und willst du am Urteil unserer Superintelligenz zweifeln?"
„Jetzt ist es schon unsere Superintelligenz", sagte sie resigniert. „Natürlich. In Moral und Ethik stehen wir Linguiden ES am nächsten. Und die Friedensstifter sind die Verkünder der neuen Politik."
„Die Friedensstifter?" Hagea hätte gern einen Scherz gemacht, doch im Augenblick fühlte sie sich nicht fähig dazu. „Du meinst nicht uns einundzwanzig, sondern nur euch vierzehn Aktivatorträger."
„Das ist falsch. Es kommt auf alle an."
„Aber auf bestimmte Personen eben mehr. Nämlich auf die Aktivatorträger."
„Sei nicht so bitter, Hagea. Durch die Aktivatoren werden wir imstande sein, bis in alle Ewigkeit zu wirken. Ihr anderen dagegen verliert nach wenigen Jahren euer Talent Siehst du nicht den Unterschied?"
„Doch. Gewiß."
„Na also! Und selbst unter uns Aktivatorträgern gibt es Abstufungen. Die Größe der Aufgabe bringt das mit sich. Balasar Imkord, Aramus Shaenor und Dorina Vaccer werden die Führung des linguidischen Volkes übernehmen."
„Die Führung?" fragte Hagea mit unterdrücktem Zorn. Sie achtete peinlich genau darauf, nicht noch mehr falsche Zeichen zu geben. Sie wollte Manella zum Reden bringen, nicht ihn umstimmen. Noch nicht ... wenn sie überhaupt jemals dazu imstande wäre. „Ja, die Führung. Was mißfällt dir daran?"
Hagea antwortete mit einer Gegenfrage: „Seit wann lassen sich die Linguiden führen?
Die Friedensstifter waren immer Diener, keine Herren. Und nun soll das anders sein?"
„Es ist immer noch dasselbe", gab der andere mit der sternförmigen Tonsur um das linke Auge geduldig zurück. „Wir werden den Linguiden erklären, worin künftig ihre Aufgabe, ihre Bedeutung liegt. Sie werden akzeptieren, was wir tun. Dazu ist es nötig, neue Regeln einzuführen.
Die Aufgabe ist immens; ohne Disziplin werden wir ihr niemals gewachsen sein."
„Du hörst dich an wie ein Sprecher des Galaktikums."
„In der Tat." Bransor Manella lächelte fein, allerdings vollkommen humorlos. „Wir werden einiges aus dem Galaktikum übernehmen. Wahrscheinlich werden wir für die Linguiden sogar Gesetze erlassen. Aber diese letzte Entscheidung liegt bei Dorina Vaccer und den zwei anderen."
„Gesetze?"
„Ganz richtig. Anders wird, eine Mächtigkeitsballung nicht neu zu ordnen sein. Für die Linguiden ist der Morgen eines neuen Tages angebrochen."
„Sie werden sich niemals Gesetze geben lassen." Ihre Stimme war so voller Abscheu, daß es selbst Bransor Manella bemerkte.
Aber er gab sich keine Blöße. Seine Zeichen blieben freundlich, voller Geduld für die unterlegene, sterbliche Freundin. „Sie werden jubeln", behauptete er. „Das prophezeie ich dir, Hagea. Und deine Aufgabe soll es in Zukunft sein, ebenso wie alle anderen Friedensstifter an unserem Auftrag mitzuwirken. Der Friede ist die Zukunft. Angst ist bald Vergangenheit."
Hagea hätte fast unwillkürlich die Hände geballt; doch ihr Training gab ihr den Rückhalt, den sie brauchte, um sich gleichmütig zu zeigen. Plötzlich hatte sie Angst vor Bransor Manella.
Sie wußte, daß sie sich in eine Hysterie hineinsteigerte, aber sie konnte nichts dagegen tun.
Eine Stunde später war sie bereits aus der COMANSOR in ihren eigenen Delphin übergewechselt.
Nicht einmal mit ihrem alten Meister hatte sie gesprochen. Doch sie wußte ohnehin, auf wessen Seite Bury Comansor gestanden hätte.
*
Die Sorge trieb Hagea so weit, daß sie ihrer eigentlichen Aufgabe in den nächsten Monaten kaum noch nachkam. Selten einmal besuchte sie die Welten der Linguiden, kaum einmal wurde sie in ihrer Eigenschaft als Friedensstifterin tätig.
Statt dessen reiste sie mit der DARMIR den anderen ihrer Zunft nach. Der erste, mit dem sie Kontakt aufnahm, war Frando Alai, ihr alter Lehrmeister. „Du hast es also auch bemerkt?" fragte er. „Natürlich", gab Hagea zurück, „deshalb bin ich hier. Diese Veränderung ... Ich weiß nicht, ob sie nur Bransor Manella betrifft."
„Sie betrifft alle", behauptete Alai. „Aber das ist kein Grund zur Sorge. Durch einen Zufall bin ich vor kurzem im Rusuma-System gewesen. Das ist die Zentralwelt
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