1568 - Schreckenskammer
vorbeifuhren.
Bill musste seine Vermutungen korrigieren. Er kannte sich in dieser Gegend aus. Von Schlössern, Burgen und alten Ruinen war hier nichts zu sehen. Die Schreckenskammer musste sich wohl an einem anderen Ort befinden.
»Na, was geht dir durch den Kopf?«
Bill winkte ab. »Nichts Besonderes.«
»Hier deutet nichts auf eine Schreckenskammer hin - oder?«
»Du sagst es.«
Winkler kicherte. »Wir sind gleich da.« Mehr sagte er nicht. Es war auch nicht mehr nötig, denn der Reporter sah trotz der Dunkelheit, wohin sie steuerten.
Ein Rummel. Eine Kirmes. Ein Riesenrad, das alles überragte. Die Gondeln hingen daran wie fahrbare Zellen. Sie tauchten in der Dunkelheit unter und wurden nicht von der Notbeleuchtung erreicht, deren Licht über den Platz strich.
»Verstehe«, sagte Bill.
»Wirklich?«
»Ja.«
»Und was denkst du dir?«
»Kann man die Schreckenskammer mit einer Geisterbahn vergleichen?«
»Nein, kann man nicht.« Die Antwort hatte sehr hart geklungen, und Bill glaubte allmählich, dass er etwas unternehmen musste. Aber noch wollte er warten. Er hatte bisher weder die Schreckenskammer noch das Skelett gesehen. Erst dann würde er bei der Polizei anrufen oder direkt bei James Powell.
Von einer Straße oder einem Weg war nicht mehr viel zu sehen. Der Wagen rumpelte über einen mit Gras bewachsenen Weg, den auch die Besucher des Rummels nehmen mussten.
Winkler fuhr ein Stück vor den Buden nach links ab. Dort standen wie Wohnwagen und Wohnmobile der Schausteller in Reih und Glied. In eine Lücke lenkte der Mann seinen Nissan.
»Da sind wir.«
»Aber nicht in der Schreckenskammer.«
»Noch nicht.« Winkler lachte. »Du freust dich wohl darauf?«
»Das kann man sagen. Ich habe nicht gedacht, dass ich sie auf einem Rummel finden würde. Ich dachte mehr an eine alte Burg und an ein Schloss. Das hier ist schon eine Überraschung für mich.«
»Das sollte es auch sein.«
Bill stand neben dem Nissan und runzelte die Stirn. »Was ist der Unterschied zwischen einer Schreckenskammer und einer Geisterbahn?«
»In die Geisterbahn musst du hineinfahren. In die Kammer kannst du ganz normal gehen.«
»Und das hast du mit mir vor?«
Otto Winkler holte die Tasche mit den beiden Urnen aus dem Auto.
»Was sonst? Du wolltest sie erleben, und diese Chance biete ich dir jetzt. Freu dich drauf.«
Bill wusste nicht, ob er sich wirklich so darauf freuen sollte.
Wahrscheinlich eher nicht, und er bedauerte es schon jetzt, ohne Rückendeckung zu sein.
Weder John noch Suko waren in diesem Moment zu erreichen. Stattdessen hatte er sich mit einem Mörder eingelassen.
Otto Winkler hatte die Autotür wieder zugedrückt. Er zeigte nach nebenan auf ein Wohnmobil.
»Da lebe ich. Willst du dir den Wagen von innen ansehen?«
»Nein.«
»Dich lockt die Kammer, wie?«
»Du sagst es.«
»Dann komm mit.«
Eine Kirmes in der Nacht, in der nur die Notbeleuchtung brannte, war genau das Gegenteil von dem, was sie am Tag und am Abend darstellte.
Keine Musik, keine Stimmen, keine Menschen, die sich vergnügten, nur eine lastende Stille. Leere Karussells und Buden, die an ihren Vorderseiten mit Holzläden verbarrikadiert waren.
Etwas jedoch war nicht verschwunden. Das war der Geruch. Er hing noch wie ein unsichtbares Tuch zwischen den Fahrgeschäften und den Buden. Eine Mischung aus Gegrilltem und irgendwelchen süßen Aromen. Der leichte Wind schaffte es nicht, den Geruch zu vertreiben.
Sie gingen an einer Geisterbahn vorbei. Von ihr war nicht viel zu sehen.
Die Ungeheuer an der Frontseite, die die Menschen erschrecken sollten, waren von der Dunkelheit zum größten Teil verschluckt worden.
Die Schreckenskammer lag nicht an dem Hauptweg. Bill und sein Begleiter mussten in eine Gasse einbiegen, die von kleinen Buden flankiert wurde. Am Ende der Gasse jedoch stand ein Schaugeschäft quer, auf das sie sich zu bewegten.
Es war die Schreckenskammer. Kleiner als die Geisterbahn. Auch nicht so breit, aber ebenso hoch. Dicht über dem Boden befand sich ein Gehsteig aus Holz. Alle Gäste mussten ihn betreten, wenn sie ein Ticket lösen wollten. Danach konnten sie dann an der Kasse vorbei auf eine Tür zugehen, die schwarz war, doch auf ihrer Vorderseite eine feurigrote Teufelsfratze zeigte.
Otto Winkler blieb neben dem Kassenhäuschen stehen.
»Na, was sagst du zu meinem Geschäft?«
Bill nickte. »Das ist schon recht beachtlich, wenn es von einem einzigen Mann betrieben wird.«
Der Deutsche lachte. »Nein, nein,
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