1568 - Schreckenskammer
allein?«
»Ja und nein. Ich habe Kontakt mit dem Killer bekommen. Sein Name ist Otto Winkler. Er ist bei uns zu Hause erschienen. Dann hat er mich mitgenommen. Das heißt, ich bin freiwillig mitgefahren.«
»Zu dieser Schreckenskammer?«
»Ja.«
»Und wo ist die?«
»Etwas außerhalb von London. Bei Wimbledon. Eine Kirmes und - ich muss Schluss machen. Winkler kommt zurück.«
Er wartete Sheilas Antwort nicht ab und ließ das Handy in die Tasche zurückrutschen. Er hoffte, dass Winkler nichts gehört hatte. Leise genug gesprochen hatte er ja.
Der Mann tauchte als Schattenumriss vor ihm auf.
»Hast du Angst? Willst du nicht zu mir kommen?«
»Schon gut. Mich stört nur eines.«
»Was denn?«
»Dass es hier kein Licht gibt.«
Winkler fing nach einer kurzen Pause an zu kichern. Er schüttelte den Kopf.
»Du hast doch nicht etwa Angst?«, höhnte er.
»Doch, das habe ich. Nicht eben Angst. Aber ich gehe nicht gern in der Finsternis durch ein unbekanntes Gelände.«
Winkler nickte dem Reporter zu.
»Gut, ich mache dir Licht. Danach will ich keine Beschwerden mehr hören.«
»Ist gut.«
Winkler winkte und bedeutete Bill auf diese Weise, dass er ihm folgen sollte.
Nachdem Bill drei Schritte gegangen war, hielt der Mann sein Versprechen und schaltete das Licht ein.
Man konnte nicht von einer großen Helligkeit sprechen. Was ihm da entgegenstrahlte und sich um ihn herum ausbreitete, war mehr ein düsteres Leuchten, ein graues Licht. Helle Flecken, die sich mit der Finsternis vermischten und sich nicht auf einen bestimmten Punkt konzentrierten. Dieses dunkle Leuchten breitete sich im gesamten Raum aus, aber Bills Augen mussten sich erst an das gewöhnen, was sie sahen.
Er war dort stehen geblieben, wo auch Winkler angehalten hatte. Bill ging davon aus, dass er von dieser Stelle aus den besten Überblick hatte.
Dem war auch so. Bisher war er nicht durch die Schreckenskammer geführt worden. Er wusste auch nicht, was sie alles enthielt, aber das Wichtigste bekam er zu sehen. Er bewegte sich nicht und riss einfach nur die Augen weit auf.
Was da vor ihm stand, war mit einem Blick nicht mal zu erfassen. Es war ein übergroßes Skelett, das auf einem mächtigen Stuhl thronte und auf ein von der Decke an einer Kette herabhängendes überdimensionales Stundenglas schaute. Die Enden unten und oben waren mit, vier kleinen Totenschädeln versehen, die an vier schmalen Säulen hingen und den Betrachter anschauten.
Sie blickten nicht in das Innere des hölzernen Tragegestells hinein, wo sich die beiden gläsernen Gefäße befanden, die durch eine schmale Röhre miteinander verbunden waren. Man konnte sie von der Form her als übergroße Tropfen bezeichnen. Sie befanden sich ungefähr in Höhe des mächtigen Knochenschädels mit der zerbrochenen Nase und den leeren Augenhöhlen, in denen sich die Finsternis der Hölle gesammelt zu haben schien.
Das Skelett selbst bestand aus bleichen Knochen. Von einer Haut war nichts mehr zu sehen. Auch das Fleisch an den Lippen war nicht mehr vorhanden. Die Zähne schimmerten Bill entgegen, sowohl aus dem Ober- als auch aus dem Unterkiefer.
Diese Figur bot einen Anblick des Schreckens. Der Vergleich mit dem Schwarzen Tod war gar nicht mal so weit hergeholt, wie Bill nach einem weiteren Blick erkannte, als er das Gesicht des Totenschädels genauer betrachtete. Der Rest des Skeletts wurde von einem schwarzen Tuch teilweise verdeckt. So blieb ihm nur das Gesicht, wenn er die Gestalt beschreiben sollte.
Bill ließ sich Zeit. Von Winkler hörte er nur das scharfe Atmen und manchmal auch ein knappes Lachen. »Na, beeindruckt?« Bill nickte.
»Ja, das ist etwas für deine Gäste. Und sie kommen, nur um sich die Gestalt hier anzuschauen?«
»Genau. Aber nicht nur sie. Schau dir das große Stundenglas an. Es gehört zu dem Tod. Sie bilden eine Einheit. Der Tod mit dem Stundenglas, das ist bekannt. Das ist seit Jahrhunderten nicht anders gewesen, und ich habe es zurück in die neue Zeit geholt.«
»Aber warum? Was soll das? Was haben die Menschen davon, wenn sie hierher in deine Schreckenskammer kommen, eine Gänsehaut erleben und dann wieder ins Freie treten. So etwas ist doch für einen modernen Jahrmarkt recht spärlich. Da ist man andere Dinge gewohnt, oder?«
»Ja, das trifft zu«, flüsterte Otto Winkler. »Aber es gibt nicht wenige, die bekommen trotzdem Angst. Es liegt an der Atmosphäre, und ich melde mich dann aus dem Hintergrund und erkläre ihnen, dass es einen mächtigen
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