1568 - Schreckenskammer
ewige Feuer brennt. Sie ist so herrlich vielschichtig, und das mache ich den Besuchern klar.«
»Sehr schön. Fehlt nur noch das Stundenglas.«
»Ja, du sprichst es an. Wenn die Besucher den ersten Schrecken nach dem Eintreten überwunden haben, dann konzentrieren sie sich auf das alte Stundenglas, das man in früheren Zeiten mit dem Sterben und dem Tod in Verbindung gebracht hat. Die alten Vergleiche und Geschichten sind allerdings ausgestorben. Ich muss den Besuchern jedes Mal klarmachen, dass die Asche das Leben symbolisiert. Dass im Laufe der Jahre immer mehr verrinnt und schließlich zum Tod führt. Und wenn sie dazu noch die Asche sehen, dann glauben sie mir, denn die meisten kennen das Symbol der Asche von zahlreichen Beerdigungen.«
»Raffiniert gemacht. Aber du sagst den Besuchern nicht, dass es die Asche von Toten ist?«
»Nein, ich deute es nur an.« Er klatschte in die Hände. »Aber die Leute verstehen es. Zumindest ahnen sie etwas. Und die gesamte Umgebung tut das Übrige dazu bei. Nicht selten verlassen Besucher verwirrt die Schau, denn sie ahnen jetzt, dass meine Schreckenskammer mehr ist als nur ein schlichtes Spiel.«
»Gab es schon Tote?«
»Wie meist du das?«
»Hast du dir selbst Menschen vorgenommen und sie im Feuer verbrennen lassen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, das hatte ich bisher nicht nötig. Es kann allerdings sein, dass sich die Zeiten ändern. Mir fehlt eine gefüllte Urne. Das ist schlecht. Ich brauche den nötigen Nachschub, aber jetzt habe ich ja dich, Bill.«
»Du meinst, meine Asche ist dir schon sicher?«
»So kann man es auch ausdrücken.«
Bill zwang sich zu einem Lächeln. »Und du meinst, dass ich so etwas zulasse?«
»Was willst du dagegen tun?«
»Das wirst du noch erleben.«
»Bitte, du kannst es ja mal Versuchen.«
Otto Winkler blieb sehr gelassen, und das gefiel dem Reporter nicht. Er war von den letzten Minuten nicht eben begeistert gewesen, doch erst jetzt hatte er das starke Gefühl, in eine Falle getappt zu sein, und das mit offenen Augen.
»Ich suche mir den Zeitpunkt aus«, murmelte Bill.
»Ja, auch dagegen habe ich nichts.« Winkler drehte sich von Bill weg und trat dicht an das Stundenglas heran. »Ist es nicht fantastisch?«, flüsterte er. »Ein regelrechtes Kunstwerk. Etwas Wunderbares wurde geschaffen, an dem ich mich einfach nicht satt sehen kann. Ich bin froh, dass ich es gefunden habe.«
»Und wo?«
»In meiner Heimat. In Deutschland. Ich fand es versteckt in einem kleinen Schlossmuseum. Es wurde nicht mal sonderlich bewacht, und so konnte ich es an mich nehmen, denn ich habe sofort gespürt, dass dieses Stundenglas mit all den normalen, die es noch gibt, auf keinen Fall zu vergleichen ist.«
»Ein Wunderwerk also.«
»Ja.«
»Und woher stammt es?«
»Aus Tschechien, wie ich erfahren konnte. Ein Artefakt, das einmalig ist. Ein wunderbarer Fund, auch sehr alt. Er hat sich lange im Besitz eines Magiers befunden, der sich mit dem Tod beschäftigte. Man hat nichts über ihn gewusst, aber man war der Meinung, dass dieser Magier noch heute lebt.«
»Und wo?«
»Wer weiß, Bill, wer weiß? Er kann durchaus in unserer Nähe sein. Der Tod löscht nicht alles aus, das wussten auch die Wissenden in früheren Zeiten, und ich habe bereits gespürt, dass ich der Wahrheit sehr nahe gekommen bin.«
»Das würde mich sehr interessieren.«
»Bitte, ich bin der Letzte, der dich daran hindert. Ich habe dich geholt, jetzt sollst du es sehen.«
Was er damit meinte, deutete er an, als er neben dem Stundenglas anhielt. Bisher hatte Bill noch nicht gesehen, dass es sich bewegte. Es war in einer Stellung erstarrt.
Das würde sich nun ändern, denn Otto Winkler hob beide Hände an und umfasste eines der beiden Gläser. Es war das obere, in dem sich keine Asche mehr befand.
Spielerisch leicht ließ es sich innerhalb des Gehäuses drehen. Die Asche, die bisher den Boden bedeckt hatte, geriet nun in eine Abwärtsbewegung.
Es war für beide Männer gut zu sehen, dass sich das Stundenglas in einer Lichtaura befand. Auf dem unteren Glas blitzten helle Reflexe, denn es war dort keine Asche mehr vorhanden, die das Licht aufsaugen konnte.
Durch die winzige Verbindungsröhre zwischen den beiden Gefäßen rieselte die Asche nach unten.
»Und jetzt?«, fragte Bill.
»Schau dir den Vorgang an. Den Wechsel. Die feine Bewegung der Asche. Sie ist jetzt das Leben.«
»Nein!«, widersprach Bill. »Sie ist tot!«
»Bist du sicher?«
Dem Reporter blieb die
Weitere Kostenlose Bücher