1568 - Schreckenskammer
Zeigefinger an ihren Schläfen entlang nach unten. Bill ließ sie in Ruhe. Sheila kannte die Umgebung besser als er.
»Ja, ich glaube schon.«
»Und wo?«
»Ein paar Straßen weiter.«
»Kennst du den Namen?«
»Nein, den habe ich vergessen. Ich kann mich nur deshalb daran erinnern, weil mir das Schaufenster aufgefallen ist, wenn ich daran vorbeifuhr. Särge kann man nur schlecht übersehen.«
»Super. Dann weis mir mal den Weg.«
Sheila blieb vor Staunen der Mund offen. »Du - du - willst hinfahren?«
»Was sonst?«
»Du bist nicht die Polizei.«
»Weiß ich. Wenn du mich nicht fährst, gehe ich eben zu Fuß.«
»Das traue ich dir sogar zu«, sagte Sheila und startete den Polo, denn sie wusste, dass Bill nicht geblufft hatte. Wenn er einmal Blut geleckt hatte, ließ er so leicht nicht mehr locker…
***
Sheila wusste zwar, wo das Beerdigungsinstitut lag, aber sie verfuhr sich trotzdem. Schließlich fand sie die Straße, in der sich einige Geschäfte befanden. Ein Feinkostladen mit Biokost, eine Schneiderei und ein Makler.
Daneben lag das Bestattungshaus Delko. Vor dem Geschäft parkte niemand.
Sheila ließ den Polo ausrollen. Sie standen jetzt direkt vor dem breiten Schaufenster.
»Gut gemacht«, lobte Bill.
Sheila winkte nur ab. »Und jetzt?«
»Sehe ich mich mal um.«
»Das kannst du auch von hier aus.«
»Wieso?«
»Es bewegt sich nichts im Schaufenster. Da stehen nur geschlossene Särge, und soviel ich sehen kann, deutet nichts auf einen Einbruch hin. Auch die Tür ist geschlossen.«
»Und neben dem Haus gibt es eine Einfahrt, die sicherlich auf einen Hof führt.«
»Was willst du denn da?«
»Nachsehen, ob jemand eingebrochen ist. Ein Bestatter braucht nicht nur einen Verkaufs- oder Ausstellungsraum. Dazu gehört bestimmt ein Lager, möglicherweise sogar eine Schreinerei. Aber das finde ich schon noch heraus.«
Sheila sagte nichts mehr. Sie wusste, dass sie ihren Mann nicht mehr aufhalten konnte, wenn der sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.
Sie waren vom Schicksal verfolgt. Bei ihnen lief einfach nichts mehr normal. Immer wieder gerieten sie in einen Sog hinein, was Bill sogar entgegenkam, seiner Frau aber nicht. Und auch ihr gemeinsamer Sohn Johnny war schon mehrere Male in lebensgefährliche Situationen hineingerissen worden.
Sheila sah Bill noch mal an der Einfahrt. Er hatte sich umgedreht und winkte ihr kurz zu. Dann war er verschwunden, als hätte es ihn nie gegeben.
Sheila, die allein zurückblieb, verriegelte sicherheitshalber die Türen.
Danach blieb ihr nichts anderes übrig, als abzuwarten, ob ihr Mann Erfolg haben würde…
***
Bill Conolly war bisher nichts aufgefallen, was er als unnormal einstufte.
Er glitt in die Einfahrt hinein, in der es sehr dunkel war, sodass Bill sich gezwungen sah, die Lampe hervorzuholen.
Er leuchtete sich den Weg und sah einiges an Abfall auf dem Boden liegen, den der Wind in die Zufahrt hineingeweht haben konnte.
Er und Sheila waren im Kino gewesen, und Bill hatte es sich angewöhnt, die Waffe zu Hause zu lassen. Das mehr auf die Bitte seiner Frau hin, die auch mal ein Privatleben haben wollte. Jetzt ärgerte er sich, die Beretta nicht bei sich zu haben, und musste achtgeben, nicht zu stolpern.
Es war still. Er hörte nur seine eigenen Schritte.
Wie er es sich vorgestellt hatte, lag hinter der Einfahrt ein Hof. Er war von hohen Hauswänden umgeben und auch nicht ganz dunkel, weil Lichtschein aus manchen Fenstern fiel.
Seinem Gefühl folgend wandte sich der Reporter nach rechts und sah die Hinterfront, die zum Geschäft des Bestatters gehörte. Er sah auch eine Tür und einen abgestellten Leichenwagen.
Um die Hintertür zu erreichen, musste er den Wagen passieren und zwei Stufen hochsteigen. Die Tür war geschlossen, aber er musste sie nur anstoßen, dann schwang sie nach innen.
Der Rest war ein Kinderspiel. Bill drang in die Geschäftsräume des Bestatters ein. Er lauschte in die Stille um sich herum und hatte das Gefühl, dass sie anders war als die normale.
Es war kühl um ihn herum. Man sagte auch dem Tod nach, dass er kalt war. Hier konnte man ihn spüren.
So lautlos wie möglich glitt Bill weiter, und es dauerte nicht lange, da stand er in einem Lager. Der Strahl seiner Leuchte sorgte für ein wenig Helligkeit.
Er sah mehrere Särge dort stehen, aber die waren für ihn uninteressant.
Der Schrank, dessen Glastür zertrümmert war, stach ihm ins Auge. Die Fächer dahinter waren leergeräumt worden, aber er sah trotzdem noch
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