1569 - Carlottas Todesangst
steckten. Locker hob Carlotta den Mann an. Zuvor hatte sie sich die Weste übergestreift, um in der Höhe etwas vor der Kälte geschützt zu sein.
Ihre Flügel lagen frei.
Wie einst Christopher Lee seine Braut auf den Armen liegen hatte, so trug auch Carlotta ihre Beute nach draußen. Die Tür zog sie wieder zu, und Sekunden später setzte sie den zweiten Teil ihres Planes in die Tat um.
Im Schatten des Hauses lief sie einige Schritte parallel zur Hauswand, bis sie die richtige Geschwindigkeit erreicht hatte. Dann breiteten sich die Flügel auf ihrem Rücken aus, ein leises Rauschen erklang und sie hob ab.
Der Mann auf ihren Armen bekam von alldem nichts mit. Er lag dort abgeschlafft, und Carlotta hätte gern den Standort seines Wagens gewusst. Weit entfernt hatte er ihn bestimmt nicht abgestellt, und so wollte sie auch nicht so weit fliegen.
Die Idee kam ihr sehr schnell. Nicht weit entfernt gab es einen Spielplatz, der um diese Zeit allerdings leer war und es hoffentlich auch bleiben würde.
Carlotta glitt mit ihrer menschlichen Beute über die Kronen der Bäume hinweg und atmete auf, als sie ihr Ziel erreichte.
In der Luft stehend schaute sie nach unten.
Nichts bewegte sich an dem kleinen Ort. Die Gerüste und Geräte dort unten in der Dunkelheit wirkten wie Fremdwesen. An drei Seiten wurde der Spielplatz von einer Hecke umgeben. Dort standen auch die Bänke, auf denen die Mütter und Väter saßen, wenn sie ihre Sprösslinge zum Spielplatz begleiteten Aus der Höhe hatte Carlotta einen guten Überblick. Sie war mehr als zufrieden, dass sie keinen Menschen in der Nähe und auch nicht auf dem Platz sah.
Langsam glitt sie tiefer. Die Bewegungen ihrer Flügel waren genau aufeinander abgestimmt. Nichts konnte sie aus der Richtung bringen, und sie hatte sich auch schon einen Platz ausgesucht, an dem sie den Mann ablegen wollte.
Die Bank stand als Letzte in der Reihe.
Sanft legte sie den Mann darauf nieder und zog sich zurück.
Es hatte alles geklappt, wie sie es sich vorgestellt hatte, und dennoch konnte sie das Gefühl einer regelrechten Todesangst nicht unterdrücken.
Bisher hatte sie zusammen mit Maxine vieles erlebt. Und es waren sehr gefährliche Abenteuer gewesen, bei denen auch ein Freund aus London, John Sinclair, mitgemischt hatte. Da waren sie zu einem tollen Team zusammengewachsen.
Darauf konnte sich Carlotta in diesem Fall nicht verlassen. Man hatte Maxine entführt. John Sinclair befand sich in London, Carlotta war allein, und sie erlebte in dieser Nacht wohl so etwas wie eine Feuertaufe…
***
Lee Cobb erwachte!
Für ihn war es so etwas wie ein völlig neues Erwachen, denn er konnte sich nicht daran erinnern, bewusstlos geschlagen worden zu sein. Wenn bisher jemand einen anderen Menschen ins Reich der Träume geschickt hatte, dann war immer er es gewesen.
Aber jetzt musste er damit fertig werden. In seinem Kopf glühte es.
Wenn er einen Gedanken formulierte, dann zerplatzte dieser schon zu Beginn wie ein Feuerball.
Er hörte sich stöhnen, fasste an sein Gesicht und spürte dort die Nässe an seinen Fingern. Das war kein Wasser, die klebrige Flüssigkeit konnte nur Blut sein.
Er lag auf dem Rücken, öffnete auch die Augen, wobei er in einen breiten Schleier schaute, der das verbarg, was hinter ihm lag.
Der Himmel!
Ein Sternenhimmel, fast ohne Wolken.
Lee murmelte etwas vor sich hin, schlug dann mit den Armen um sich und merkte, dass seine rechte Hand wegsackte. An der rechten Seite gab es keinen Halt für ihn, und er zuckte zusammen wie unter einem kurzen Stromstoß, denn jetzt hatte er erkannt, dass er auf einer Bank im Freien lag.
Eine unvorsichtige Bewegung, und er wäre auf dem Boden gelandet.
So blieb er ruhig liegen und schaffte es auch, nachzudenken, denn grundlos lag er nicht hier. Die Wunde an seinem Kopf brannte. Sie zuckte auch, das zumindest glaubte er.
Er dachte daran, welch leichten Job er zu erledigen gehabt hatte, aber jetzt war alles vorbei. Man hatte ihn reingelegt.
Aber wer?
Er wusste es nicht. Er wusste gar nichts. Er hatte alle Vorsichtsmaßnahmen befolgt, nichts war ihm entgangen, und trotzdem hatte es ihn erwischt wie ein Schlag aus heiterem Himmel.
Da war nur noch ein tiefes Loch, die Dunkelheit, und jetzt das Erwachen auf dieser Parkbank.
Lee Cobb war kein Mensch, der so schnell aufgab. Er war irgendwie in diese Lage geraten und würde es auch schaffen, sich wieder aus ihr zu befreien. Daran dachte er, als er sich langsam in die Höhe stemmte.
Zwar
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