1569 - Carlottas Todesangst
herausfinden, was ihre Entführung zu bedeuten hat.«
»Gut, dann fliegen Sie und regeln alles.«
»Danke.« Ich ließ die Hand mit dem Hörer sinken und legte ihn zurück auf das Telefon.
Diesmal hatte ich den Lautsprecher nicht eingeschaltet, und so fragte Suko mich, wie es gelaufen war.
»Du kannst schon deine Tasche nehmen«, sagte ich.
»Na, das wusste ich doch.«
»Hoffentlich bekommen wir eine Maschine, die früh genug in Dundee landet. Ich habe nämlich keine Lust, mir hier noch die Zeit um die Ohren zu schlagen und erst in der Dunkelheit dort eintreffen.«
»Müsst ihr gar nicht«, sagte Glenda, die plötzlich lächelnd in der Tür stand. »Wenn ihr euch beeilt, kann es in einer knappen Stunde losgehen.«
Und ob wir uns beeilten. Jeder hatte immer eine Tasche für sogenannte Brandeinsätze im Büro, sodass wir von einer Minute zur anderen bereit waren, ein paar Tage zu verreisen.
»Bis irgendwann dann!«, rief ich Glenda noch zu, als wir das Vorzimmer verließen…
***
Carlotta saß auf der Couch in ihrem Zimmer und wusste nicht, was sie unternehmen sollte. Sie hatte die Beine hochgelegt, starrte auf das Telefon und sah es trotzdem nicht richtig, denn ihre Gedanken waren auf Wanderschaft gegangen.
Das Telefonat mit John Sinclair hatte ihr gut getan, das stand außer Zweifel, aber es wäre noch besser gewesen, wenn sie ihn hier im Haus gehabt hätte. Aber er würde erst am frühen Abend bei ihr sein.
Die Zeit musste sie überbrücken. Sie wusste nicht, wie sie sich ablenken sollte. Ihre Gedanken würden immer zu dem zurückkehren, was geschehen war und was noch vor ihr lag.
Sie stand auf und fing an, im Zimmer hin und her zu wandern. Schließlich blieben ihre Gedanken an dem Mann hängen, der in ihr Haus hatte eindringen wollen. Und das hieß, dass er hier etwas gesucht hatte.
Was konnte das sein?
Das Vogelmädchen zerbrach sich den Kopf. Es dachte an eine alte Rache oder an eine Rechnung, die zwischen Maxine und irgendeinem Feind noch offen war.
Sie kannten sich inzwischen eine recht lange Zeit, und das Vogelmädchen hatte Maxine Wells als eine Frau erlebt, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden stand und sich so leicht nicht verrückt machen ließ.
Das war so und das würde immer so bleiben, denn sie hatte sich vorgenommen, die Menschen zu bekämpfen, die rücksichtslos gegen die Natur vorgingen.
Ja, dabei hatte sie sich Feinde geschaffen. Und da sie den Kampf als Einzelperson durchzog und sich nicht in den Schutz einer Organisation begeben hatte, war ihr Leben zwar spannend, aber auch zu einem Wagnis geworden.
Viele standen auch zu ihr. An erster Stelle die Menschen, die mit ihren Tieren zu ihr kamen, weil sie als Tierärztin einen außergewöhnlich guten Ruf hatte.
Und jetzt war sie weg.
Entführt von irgendwelchen Menschen, die etwas von ihr wollten.
Carlotta dachte daran, dass sich die andere Seite bestimmt gut über Maxine und ihre Gewohnheiten informiert hatte.
Deshalb war es wohl nicht falsch, wenn sie daran dachte, dass die andere Seite vielleicht auch Bescheid wusste, dass es eine zweite Person gab, die in diesem Haus lebte.
Sie überlegte, ob sie das Zimmer ihrer Ziehmutter durchsuchen sollte.
Nein, das brachte sie nicht fertig, das würde sie als Vertrauensbruch empfinden.
Aber was sollte sie tun? Sie fühlte sich angegriffen, und sie ging sogar davon aus, dass der Einbrecher sie unter Umständen getötet hätte.
Würde er vielleicht hierher zurückkehren, um zu vollenden, was er sich vorgenommen hatte?
Carlotta glaubte es nicht. Zumindest nicht während des Tages.
Bis zur Dunkelheit hatte sie noch viel Zeit. Es konnte sein, dass zuvor noch John Sinclair und Suko hier eintrafen, aber sicher war sie da auch nicht.
Also warten, sich ablenken, aber auch die Vorsicht nicht außer Acht, lassen.
Die blonde Carlotta war aufgeregt. Es war ihrem Gesicht anzusehen. Es war nicht unbedingt warm im Haus, sie schwitzte dennoch und ging ein paar Mal ins Bad, um sich abzukühlen. Es tat ihr gut, wenn das Wasser über ihr Gesicht perlte und ihre Handgelenke kühlte.
Sie hätte sich auch gern draußen umgesehen, dann aber wäre sie wieder in Versuchung geraten, zu fliegen. So blieb ihr schließlich nichts anderes übrig, als sich weiterhin im Haus zu verstecken und zu warten…
***
Dr. Maxine Wells fühlte sich schlecht, obwohl es ihr nicht schlecht ging.
Zwar war sie nicht in einem Luxushotel untergebracht, aber zwei geräumige Zimmer und ein Bad ließen ihr eine gewisse
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