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157 - Das Erbe der Alten

157 - Das Erbe der Alten

Titel: 157 - Das Erbe der Alten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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drei Töchter – elf, neun und sieben Marsjahre alt – standen rechts des Marmorpodestes, ihre Eltern und Geschwister links davon.
    Sämtliche Hinterbliebene trugen rote oder graue Handschuhe.
    Eine Warteschlange von mindestens vierhundert Menschen schob sich an ihnen und am Sarg vorbei. Jeder der Trauernden blieb kurz stehen, nahm den Hut ab, legte die Hand aufs Herz und verneigte sich vor der Toten. Anschließend reichte er, wenn er es aufgrund seiner Stellung im Hause Gonzales oder im Freundeskreis von Athena Tayle für angemessen hielt, den Hinterbliebenen die Hand und gesellte sich danach zu der Menge, die bereits kondoliert und sich hinter dem Marmorblock mit dem Sarg versammelt hatte.
    Die weitaus meisten Menschen in der Warteschlange hielten den Handschlag für angemessen.
    Ein Greis im Rollstuhl hatte sich bis an die rote Felswand zurückgezogen – Jarro Fachhid, ehemaliger Ratsherr und Patriarch des Hauses Gonzales. Er war fett und unförmig, sein Körper quoll mehr aus dem Rollstuhl, als dass er darin ruhte.
    Jarro Fachhids Urenkelin und Pflegerin Rulia Fredis Gonzales stand ein wenig verloren und scheinbar unbeteiligt hinter seinem Stuhl, vier Männer links und rechts davon. Sein Großneffe, sein ältester Enkel, der Chefentwickler von MOVEGONZ TECHNOLOGY und der Erste Testfahrer des Werks. Bemüht, kein Wort des Alten zu versäumen, beugten sie alle sich ein wenig zu ihm hinunter; der Ratsherr Ettondo Lupos Gonzales am tiefsten.
    »Ein Jammer«, stöhnte Jarro Fachhid. »Sie hatten den Erdmann schon an Bord des Waldläufers, und dann greift unser eigenes Produkt sie an. Was für ein unsäglicher Jammer!« [2]
    »Möglicherweise wähnte Athena Tayle sich ihrer Beute gar zu sicher«, gab Ettondo Lupos zu bedenken. »Sie hätte Maddrax und seine Fluchthelfer niemals aussteigen lassen sollen…«
    »Ich bitte dich, lieber Onkel!« Reza Gundol Gonzales zog die rechte Braue hoch. Bei ihm ein untrüglicher Ausdruck von Empörung.
    Jarro Fachhids Enkel trug einen dunkelroten Überwurf über einem Kunstlederanzug, der exakt die Farbe seines sehr kurz geschorenen Haars hatte: Dunkelgrau. Im Prinzip war es gleichgültig, was er anzog, denn seine große Hakennase dominierte seine ganze Erscheinung so stark, dass seine Kleider weiter nicht auffielen. Die Leute konnten meistens nicht anders, als seine riesige Nase anzustarren. Sein langes Gesicht war kantig und trotz seiner kaum fünfunddreißig Marsjahre schon von tiefen Falten zerfurcht.
    »Meine Schwester hatte seine mündliche Zusage! Sie konnte doch nicht ahnen…!« Reza Gundol schüttelte seinen großen Kopf, statt den Satz zu vollenden. Mit spitzen Fingern zupfte er ein Tüchlein aus der Brusttasche seines Fracks und wischte sich eine Träne aus dem linken Auge.
    »Ein unglücklicher Zufall.« Tartus Marvin Gonzales, sein Chefentwickler, sprang ihm bei. »Der Brechsteinschlepper war darauf programmiert, den Signalen des Peilsenders zu folgen.«
    »Wenigstens musste Athena Tayle nicht leiden«, sagte Tartus Marvin. »Der Laserstrahl hat sie sofort getötet.«
    »Ein fragwürdiger Trost«, schluchzte eine Frauenstimme.
    Eine Frau in anthrazitfarbener Robe und mit großem roten Hut beugte sich zum Rollstuhl hinunter und küsste dem Patriarchen die Stirn. Wie Ettondo Lupos saß auch Isbell Antara für das Haus Gonzales im Rat; als Beraterin von Ettondo Lupos. An diesem Abend trug sie eine anthrazitfarbene Perücke. »Es hätte einfach nicht passieren dürfen.« Sie begrüßte die anderen Männer und winkte dem Mädchen hinter dem Rollstuhl.
    Ein Fanfarenstoß ertönte, und gleich darauf noch einer. Die letzten der vierhundert Trauergäste hatten der Toten die letzte Ehre erwiesen und den engsten Angehörigen ihr Beileid zum Ausdruck gebracht. Nun stellten sich alle in einem großen Halbkreis aus mehreren Reihen um den Sargsockel auf. Die sieben Fanfarenbläser standen sechzig Meter über der Trauergesellschaft am höchsten Punkt der roten Gräberwand.
    Der bei solchen Anlässen unvermeidliche Lektor trat auf und begann die Verse eines Dichters zu verlesen, den das Haus Gonzales vor mehr als hundertzwanzig Jahren hervorgebracht hatte. Man hatte dem Lektor ein Mikrophon unter die Hutkrempe gesteckt, sodass seine Stimme aus Lautsprechern in der Felswand tönte und die gesamte Trauerstätte beschallte.
    »Wie auch immer«, raunte der greise Jarro Fachhid. Die vier Männer und Isbell Antara beugten sich zu ihm hinab. »Wenn wir die Ressourcen des Erdmannes

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