157 - Der Tod von Baikonur
sie sind."
„Sie können in der Masse der Menschen hier völlig untergehen. Hier gibt es ein paar hundert Wissenschaftler und Ingenieure, und es gibt ein paar hundert Soldaten. Ich glaube kaum, daß sich alle untereinander kennen. Die Anonymität der Uniformen oder Overalls dürfte die beste Tarnung sein." „Ich begreife nicht, wie sie einsickern konnten", sagte Kiwibin. „Alles wird überwacht. In den Zäunen gibt es keine Löcher. Sie müssen sich schon durch Tunnels gegraben haben."
„Vielleicht haben sie das tatsächlich", sagte Dorian. „Wir haben jetzt also noch zwei Tage Zeit bis zum Start. Wir werden die KOSMOVEGA am besten alle sechs bis acht Stunden einer genauen Untersuchung unterziehen, ja?"
Kiwibin nickte.
„Die Genossin Dimitrow muß versuchen, herauszufinden…"
„Die Genossin Dimitrow wird nichts dergleichen tun", sagte Flindt energisch. „Lassen Sie sie in Ruhe, Mister Kiwibin. Es reicht schon, daß sie in der vergangenen Nacht fast getötet worden wäre, wenn Dorian nicht aus irgendwelchem Grund aufgewacht wäre. Ich werde Dunja Dimitrow aus dem Camp in die Stadt bringen. Dort ist sie sicherer."
„Du bist verrückt, Brüderchen Flindt. Wie stellst du dir das vor?"
„Kiwibin", warf Dorian ein. „Sie wollten diesen Kommissar Letskij überprüfen."
„Er ist sauber", sagte der Russe. Er begriff das Ablenkungsmanöver, kehrte aber wieder zum Thema zurück. „Dunja Dimitrow wird das Lager nicht verlassen", sagte er. „Meinetwegen bringen Sie jede Menge Dämonenbanner an ihrer Unterkunft an, Flindt. Meinetwegen lassen wir sie auch aus dem Spiel. Aber im selben Moment, in dem sie mit ihr in die Stadt kommen, sind Sie beide tot, ist Ihnen das klar? Die Werwölfe lauern doch nur darauf, Sie draußen zu erwischen. Hier im Lager würde ein weiterer Todesfall nur unnötiges Aufsehen erregen."
Er duzte und siezte Flindt, wie es ihm gerade in den Sinn kam. Der Däne hatte sich längst daran gewöhnt.
„Ich habe übrigens noch eine Nachricht", sagte Kiwibin plötzlich. „Die Meldung traf vor einer Stunde ein. Kaspoff weiß nichts davon. Nur ich wurde unterrichtet, weil ich zum KGB gehöre. Man vermutet Zusammenhänge mit unserem Fall."
„Machen Sie es nicht so spannend", drängte Dorian.
„In verschiedenen geheimen Munitionsdepots überall in der Sowjetunion hat es geheimnisvolle Einbrüche gegeben", sagte Kiwibin. „Kein Mensch weiß, wie die Diebe eingedrungen sind. Sie haben Wachtposten getötet oder sind völlig unbemerkt eingedrungen, um ebenso unbemerkt wieder zu verschwinden."
„Geheime Munitionsdepots?" echote Dorian. „Wurden Platzpatronen und Handgranaten gestohlen?" Kiwibin schüttelte den Kopf.
„Plutonium", sagte er.
Dorian und Flindt schnappten hörbar nach Luft.
„Plutonium?"
„Ja. Überall geringe Mengen", sagte Kiwibin. „Jemand scheint sich genau auszukennen. Die Überfälle geschahen bei allen Lagern gleichzeitig. Niemand weiß, wie die Standorte bekannt werden konnten. Das heißt… ich ahne es."
„Der Werwolf-Telepath", sagte Dorian. „So, wie er herausgefunden hat, daß hier eine Rakete zum Halleyschen Kometen startklar gemacht wird, hat er auch die Depots gefunden."
Kiwibin nickte.
„Sie werden wissen, daß Plutonium zwar äußerst radioaktiv ist, in geringen Mengen aber relativ ungefährlich - von der Strahlung einmal abgesehen", fuhr Kiwibin fort. „Die Strahlung läßt sich aber mit entsprechenden Bleipanzern abschirmen, das ist das geringste Problem. Aber Plutonium hat eine kritische Masse. Wird sie erreicht beziehungsweise überschritten, erfolgt eine spontane atomare Explosion, vereinfacht ausgedrückt."
„Sie sprachen von überall geringen Mengen", sagte Dorian beunruhigt. „Wie gering?"
„Wenn alle geraubten Plutonium-Massen zusammenkommen", sagte Kiwibin, „dann reicht die Menge, ein großes Loch in die Erdkruste zu reißen. Hiroshima und Nagasaki sind nichts dagegen. Die Sprengwirkung wird hundertfach, vielleicht tausendfach sein. Ganz Kasachstan würde verwüstet, die Erdkruste mit Sicherheit wirklich aufgerissen bis zum Magma."
„Das dürfte einiges an Scherben geben", sagte Dorian. „Die tektonischen Erschütterungen werden zu Verschiebungen der auf dem Magma schwimmenden Kontinentalschollen führen, nehme ich an." „Das wurde in Moskau ebenfalls berechnet", sagte Kiwibin. „Es gibt zwei Theorien. Nach der einen sind die Plutonium-Diebe Terroristen, die mit dieser möglichen Superbombe die gesamte Menschheit erpressen
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