1570 - Das Haus der Geborgenheit
Geborgenheit", murmelte sie. „Nie davon gehört. Wo soll es sein?"
„In der Altstadt."
„Das sagtest du schon. Wo genau?"
„Darüber sprach er nicht. Ich dachte, ihr könntet mir vielleicht helfen."
„Erste Geborgenheit, Erste Geborgenheit", sagte Hyan Goroset mit unterdrückter Stimme und blickte dabei unverwandt vor sich hin. „Was kann das bedeuten? Aah ...! Was heißt ›Geborgenheit‹ auf tefrodisch?"
„Amnasuntha", antwortete Gertan von Allion. „Na also!" rief Liseth und klatschte begeistert in die Hände. „Eine Straße dieses Namens gibt es im ältesten Teil der Stadt. Die Häuser tragen nach alter Sitte große Ziffern auf den straßenseitigen Wänden.
Das Haus der Ersten Geborgenheit ist weiter nichts als das erste Haus in der Gasse, die Amnasuntha heißt."
„Großartig", lobte Bull. „Ich wußte, daß ich mich auf euch verlassen konnte."
„Du willst dorthin gehen?" erkundigte sich Icho Tolot. „Am kommenden Abend, drei Stunden nach Sonnenuntergang."
„Sieh dich vor."
„Keine Sorge. Es wird keine Vorsichtsmaßnahme außer acht gelassen", versprach Bull. „Was hast du sonst noch vor?"
„Ein paar Stunden schlafen und dann dem Ersten Botschaftsrat Anim Tadron einen Besuch abstatten."
„Was willst du von ihm?" fragte Hyan Goroset verwundert. „Ihn fragen, womit er sich die vielen Orden verdient hat", lachte Bull. „Nach allem, was gestern vorgefallen ist, wundert es mich, daß du den Mut aufbringst, bei mir vorzusprechen", eröffnete Anim Tadron die Unterhaltung. „Dazu gehört Mut?" staunte Reginald Bull. „Mut oder vielmehr Unverfrorenheit braucht der, der es nach der gestrigen Blamage noch auf Chemtenz aushält, sei er nun maahkscher oder tefrodischer Botschafter. Was wird der Virth von Tefrod sagen, wenn er erfährt, wie es dir und deinem maahkschen Kumpan gestern in Maahkrit ergangen ist?"
„Du hast mich einen Lügner genannt!" brauste der Erste Botschaftsrat auf. „Gewiß doch", gab Bull zu. „Weil du behauptetest, du hättest den Namen Kalago nie gehört."
„Das habe ich ..."
„Pssst!" warnte Bull. „Nicht zu hastig, du versprichst dich sonst. Ich bin nicht hier, um dir noch mehr Wahrheiten zu sagen. Auch interessiert mich nicht, warum du es für ratsam hältst, dein Wissen um Kalagos Expedition zu verheimlichen."
„Sondern ...?"
Der Gebäudekomplex der Botschaft des tefrodischen Reiches lag an der Küstenstraße, unmittelbar am Rand der Bucht. Die Gebäude waren wahllos über ein Areal von einem halben Quadratkilometer verstreut.
Im Mittelpunkt des Geländes erhob sich ein fünfstöckiges Bauwerk, in dem der Erste Botschaftsrat seine Amtsräume hatte. Reginald Bull war in der fünften Etage von Anim Tadron persönlich empfangen und in ein luxuriös ausgestattetes, großes Zimmer geführt worden, von dem aus ein Fenster, das die gesamte Seitenwand einnahm, einen atemberaubenden Ausblick auf die Bucht bot. Trotz der unfreundlichen Worte, die der Botschaftsrat gebrauchte, wußte Bull, daß er seinen Besuch erwartet hatte. Eher hätte Anim Tadrorr auf ein Jahresgehalt verzichtet, als daß er den Terraner abgewiesen hätte. Der Erste Botschaftsrat hatte sich gestern nicht eben mit Ruhm bekleckert. Als Diplomat folgte er der alten Regel, die im Fall eines Gesichtsverlusts anzuwenden war: Der Blamierte tut gut daran, sich mit dem Urheber der Blamage gut zu stellen.
Nach dem ersten Schlagabtausch nahm das Gespräch, das übrigens auf Interkosmo geführt wurde, daher freundlichere Töne an. „Du hast gehört, wie Grekeins auf mein Ansuchen reagierte", antwortete Reginald Bull. „Er hat den Alpha-Zentra-Transmitter zum Sperrgebiet erklärt. Ich könnte mich über ihn beschweren und bekäme zum Schluß wahrscheinlich die Erlaubnis, Alpha-Zentra anzufliegen. Aber das dauert mir zu lange. Ich suche Kalagos Spur.
Wenn ich bei den drei Sonnen von Alpha-Zentra nicht mit der Suche beginnen kann, dann muß ich mich anderswohin wenden. Was wird das tefrodische Reich dazu sagen, wenn ich mich in Richtung Gercksvira wende?"
Diese Frage hatte Anim Tadron offenbar nicht erwartet. Er holte tief Luft, blies die Backen auf und gab den Atem stoßweise von sich, als sei ihm plötzlich zu heiß geworden. „Ich kann deine Frage so ohne weiteres nicht beantworten", sagte er. „Ich müßte mich erkundigen. Aber ich glaube nicht, daß du mit deinem Ansinnen auf allzuviel Sympathie stoßen würdest."
„Hör zu, mein Freund: Auf Sympathie bin ich nicht angewiesen", meinte Reginald
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