1570 - Das Haus der Geborgenheit
Straßen erlaubt, dem Bodenrelief zu folgen.
Fahrwege wanden sich hangauf- und hangabwärts, schlängelten sich um einen kleinen See, schnitten andere Straßen in spitzen oder stumpfen Winkeln.
Das alles hatte dazu beigetragen, die Siedlung so erscheinen zu lassen, als sei sie im Lauf mehrerer Jahrhunderte gemächlich herangewachsen. New Dillingen war ein heimeliger, gemütlicher Ort, in dem es einem leicht fiel, sich wohl zu fühlen.
Vielleicht lag es an der Dunkelheit. Die Altertumsschützer hatten ihre Aufgabe ein wenig zu ernst genommen und nur hier und da eine Lampe aufgestellt. Die Lampen waren Leuchtkörper, die man an Masten befestigt hatte. Irgend jemand hatte hier nicht richtig aufgepaßt. Im Jahr 3460 alter Zeitrechnung war die Ära der schwebenden Lampen, die keiner mechanischen Stütze bedurften, schon über eintausend Jahre alt.
Kein Zweifel: Es lag an der Dunkelheit. Tagsüber bot die Szene wahrscheinlich einen wesentlich freundlicheren Anblick. So aber wirkten die Straßen schmal und verwinkelt. Der Straßenbelag war rissig, und aus den Rissen sproß das Unkraut. Häuser, die im Vergleich mit dem, was heutzutage gebaut wurde, schmalbrüstig wirkten, drängten sich bis dicht an den Straßenrand. Die Fenster waren dunkel.
Hier und da gab es ein größeres Grundstück, auf dem sich ein Gebäude im neoromantischen Stil des ausgehenden 35.
Jahrhunderts unter weit ausladende uralte Bäume duckte. Überall mangelte es an Licht. Ein leichter Wind war aufgekommen. Er wehte von den Berghängen herab auf die Bucht zu, strich über winklige Dächer, verfing sich in steifen Fassaden und erzeugte Geräusche wie das Stöhnen eines Sterbenden.
Reginald Bull hatte sich während des Nachmittags eingehend über die Altstadt von New Dillingen informiert.
Der alte Siedlungsteil wurde kommerziell und administrativ kaum noch genutzt. Der Abstieg der New Dillinger Altstadt zur Touristenattraktion hatte etwa um die Zeitenwende begonnen. In Strömen waren die Schaulustigen hauptsächlich aus der Milchstraße gekommen, um zu bestaunen, was ihre Ahnen hier geschaffen hatten. Nach der Größen Kosmischen Katastrophe von 448 blieben die Galaktiker fort. Was jetzt noch an Touristen nach Chemtenz kam, stammte aus Andromeda, aus den beiden Magellan-Wolken oder aus Pinwheel und hatte keinen persönlichen Bezug zu Dingen, die von Terranern, Arkoniden, Akonen, Blues, Ferronen und Topsidern geschaffen worden waren. Für diese Art von Touristen brauchte man sich mit der Wartung der alten Gebäude, der Instandhaltung der Straßen, der Pflege der Parks und Gärten nicht allzuviel Mühe zu machen.
Die Altstadt von New Dillingen zerfiel. Gewiß, sie war aus Materialien gebaut, die dem Wind, dem Regen und der Sonne noch ein gutes Jahrtausend lang trotzen würden, aber die Spuren der Zersetzung waren überall zu sehen. Wenn die Touristen aus der Milchstraße nicht wiederkamen, würde man Alt-New Dillingen in ein paar hundert Jahren abreißen, um Platz für eine moderne Stadtanlage zu schaffen.
Bull waren zu guter Letzt Bedenken gekommen, ob er auf den geheimnisvollen Hinweis, den er von Grek-10 erhalten hatte, wirklich eingehen sollte. Er war ziemlich sicher, daß man ihm eine Falle stellen wollte. Aber dann erkundigte er sich nach dem Gebäude, das als Nummer eins an der Amnasuntha-Gasse stand, und die Informationen, die er erhielt, überzeugten ihn, daß er sich um diese Sache kümmern müsse, ganz egal, wie groß das Risiko war.
Das Haus Amnasuntha-Gasse Nr. Iwar eines der wenigen Altstadt-Gebäude, die noch kommerziell genutzt wurden. Es war vor drei Jahren von einer tefrodischen Handelsgesellschaft für die Dauer von zehn Jahren gepachtet worden. Der Pächter hatte den gesamten Pachtpreis vorab entrichtet und dafür die Bedingung gestellt, daß er an dem Gebäude kleinere bauliche Veränderungen vornehmen dürfe. Welcher Art diese Veränderungen waren, hatte man nie erfahren. Sie hätten alle im Innern des Hauses stattgefunden und waren nach außen hin nicht sichtbar. Der Pächter legte Wert darauf, daß kein Unbefugter das Grundstück, geschweige denn das Gebäude betrat.
Die Sache mit der kommerziellen Nutzung des Hauses war eine Übertreibung. In den drei Jahren, die seit Beginn der Pachtfrist verstrichen waren, hatte die Gesellschaft eine einzige Ladung angeliefert.
Das war ganz zu Anfang gewesen. Die Ladung bestand laut Manifest aus syntronischen Bauteilen im Wert von insgesamt 15000000 Ghafi. Was aus den Bauteilen
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