1573 - Grauen im Geisterschloss
einfach unglaublich bezeichne. Wobei ich meinen Vater kenne und nicht glaube, dass er sich die Dinge aus den Fingern gesogen hat.«
»Die also vor seinem Tod geschahen und deretwegen er im Krankenhaus gelegen hat.«
»So ist es. Wobei man kaum von einem Krankenhaus sprechen kann. Ein Arzt hat in seinem Haus ein paar Betten aufgestellt. Das ist kein Krankenhaus, aber es reicht wohl für diese einsame schottische Gegend aus. Aber das ist jetzt unwichtig. Ich möchte Ihnen das erzählen, weshalb mich mein Vater angerufen hat und dessentwegen ich hier überhaupt sitze. Es ist eine wahnsinnige und eigentlich fantastische Geschichte. Wäre es nicht mein Vater gewesen, der sie mir erzählt hat, ich hätte jeden anderen Menschen ausgelacht. Da ich aber weiß, dass er kein Spinner war, muss ich die Dinge ernst nehmen.«
»Gut, dann mal raus mit der Sprache.«
Ich war noch recht locker, doch als ich hörte, was Jack Holland widerfahren war, da sträubten sich bei mir schon die Nackenhaare, und ich holte nur durch die Nase Luft.
Das alles klang nach einem bösen Scherz, aber eine Frau wie Jenny Holland scherzte nicht, es war ihr sehr ernst damit.
»So, jetzt wissen Sie Bescheid.« Mit einem Taschentuch tupfte sie den Schweiß aus ihrem Gesicht.
Sie wartete auf meinen Kommentar, der etwas mager ausfiel.
»Sie glauben Ihrem Vater also?«
»Jedes Wort. Er hat mich angerufen. Er hat es mir erzählt, und es kam mir beinahe wie ein Hilfeschrei vor. Das ist verrückt, Mr. Sinclair, aber das ist auch die. Wahrheit. Man hat ihm nicht geglaubt, weil es in der Gegend kein Schloss gibt, aber ich weiß, dass er nicht gelogen hat. Ich kenne ihn. So etwas bildete er sich nicht in ein. Das wäre ja auch völlig verrückt.«
»Stimmt«, sagte ich. »Er ist also in einem Schloss gelandet, wurde gefoltert, konnte entkommen und ist dann in seinem Krankenbett umgebracht worden.«
»So ist es.«
»Gibt es Zeugen?«
»Nein, die gibt es nicht. Man hat meinem Vater nicht geglaubt, und die Beamten, die den Fall untersucht haben, stehen natürlich vor einem Rätsel. Ich gehe mal davon aus, dass sie nicht wissen, was ich weiß oder jetzt auch Sie. Ich habe dafür gesorgt, dass mein Vater hierher nach London überführt wurde. Unsere Fachleute haben sich mit seinem Leichnam beschäftigt und konnten bestätigen, dass er erschlagen wurde und zwar mit einem sehr ungewöhnlichen Gegenstand.«
Sie verengte ihre Augen und sprach danach etwas leiser.
»Es muss eine Waffe gewesen sein, die zahlreiche Spitzen aus Metall aufwies. Der Kopf meines Vaters zeigte zahlreiche Wunden oder auch Einschläge, das war deutlich zu erkennen.«
»Was könnte es denn gewesen sein?«
Jenny Holland hob die Schultern. »Da sind wir nicht fündig geworden. Einer der Pathologen sprach von einer archaischen Waffe, die nicht in unsere Zeit gehört, sondern in eine, die längst vorbei ist. Die aber zu Menschen einer anderen Zeit passt, die in Schlössern und Burgen gelebt haben.«
Sie beugte sich vor.
»Ich will, dass der Tod meines Vaters aufgeklärt wird. Und ich weiß auch, dass dies keine einfache Sache werden wird. Es steckt mehr dahinter. Und zwar etwas, das ich nicht begreifen kann. Aber ich weiß, dass Sie sich um Dinge kümmern, die oft genug außerhalb unseres Wahrnehmungsvermögens liegen. Ihr Ruf hat sich herumgesprochen. Ich möchte, dass Sie und ich den Fall gemeinsam aufklären.«
Sie schaute auf Sir James.
»Ihr Chef hat bereits seine Einwilligung gegeben.«
»Ja, das stimmt«, sagte Sir James.
»Okay.« Ich hob die Schultern. »Es wird nicht einfach sein, etwas zu finden, was es nicht gibt.«
»Denken Sie anders. Das Schloss muss es geben. Mein Vater war in dieser Folterkammer. Er ist auf etwas gestoßen, das möglicherweise tief in der Vergangenheit begraben liegt. Das die Menschen vergessen haben oder sich nicht mehr daran erinnern wollen. Ich glaube auch nicht, dass es Leute waren, die als Hobby das Erforschen des Mittelalters haben oder so ähnlich. Mein Vater war in einem Schloss, das es nicht gibt, aber er war trotzdem dort.«
»Ein Geisterschloss?«
»Sie sagen es, Mr. Sinclair. Jetzt muss man nur noch daran glauben. Ich normalerweise nicht, aber nach dem Anruf meines Vaters bin ich mir nicht mehr sicher. Er stand mit beiden Beinen fest im Leben. Er arbeitete für eine Umweltorganisation. Er war in Schottland unterwegs, um die Auswirkungen des sich allmählich verändernden Klimas auf die Natur zu beobachten. Ja, und er war alles, nur kein
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