1573 - Grauen im Geisterschloss
dass sie eine Waffe besaß, die sie mit einer routinierten und schnellen Bewegung zog.
Fast im selben Augenblick rissen die Männer ihre Äxte hoch. Es sah so aus, als wollten sie die Waffen schleudern, und Jenny stieß einen schrillen Schrei aus.
Die Männer schleuderten die Äxte nicht. Sie hatten Jenny getäuscht.
Jetzt rannten sie Die Agentin feuerte. Sie war darauf trainiert, sich in Stresslagen zu verteidigen. Sie feuerte zuerst auf den rechten Kerl, dann auf den linken, und sie wollte sehen, wie die Kugeln sie zu Boden hieben.
Sie trafen auch, doch es geschah nicht das, was die Agentin erwartet hatte.
Sie sah so etwas wie ein helles Funkeln, das beide Körper nachzeichnete, dann waren die Kerle mit den Äxten verschwunden.
Jenny Holland stand bewegungslos da.
Sie brauchte Sekunden, um sich zu fassen. Bis sie anfing zu lachen, dabei zurückging und sich mit dem Rücken gegen den Wagen lehnte, wobei die Mündung ihrer Pistole zu Boden zeigte, denn ein Ziel gab es für die Agentin nicht mehr…
***
Genau in dieser Haltung fand ich sie vor. Ich sprach sie an, doch sie reagierte nicht und schüttelte so heftig ihren Kopf, dass der Oberkörper mitschwang.
Erst als ich meinen Arm um sie legte, schaute sie auf und starrte in mein Gesicht.
»John…?«
»Wer sonst?«
»Verdammt, was war das?« Sie krallte sich mit der linken Hand an meiner Kleidung fest. »Hast du das gesehen? Sei ehrlich! Hast du die beiden Typen mit den Äxten gesehen?« In ihrer Erregung duzte sie mich, aber dagegen hatte ich nicht das Geringste einzuwenden.
»Ja, das habe ich.«
»Und ich habe geschossen.«
»Das hörte ich.«
Sie lachte schrill. »Ich - ich - habe sie auch getroffen. Aber plötzlich waren sie weg. Einfach so. Als hätten sie sich in Luft aufgelöst. Kannst du das begreifen?«
»Wir müssen es hinnehmen.«
»O Shit!«, keuchte sie. Dabei drehte sie sich weg. »Das ist unglaublich. Das kann es doch eigentlich gar nicht geben. Wenn ich nicht von meinem Vater gehört hätte, was er erlebt hat, würde ich jetzt durchdrehen.«
»Das kann ich verstehen.«
»Ha, und mehr sagst du nicht?«
Ich hob die Schultern. »Es gibt nicht mehr zu sagen. Wir müssen es hinnehmen.«
»Ja, wie mein Vater.« Aus geweiteten Augen schaute sie mich an. »Das ist doch so - oder?«
»Genau.«
»Und ihn haben sie umgebracht. Da habe ich ja noch mal Glück gehabt. Aber das mit ihm geschah nicht hier, sondern im Ort an seinem Krankenbett. Also sind sie entsprechend mobil.« Sie fasste sich gegen die Stirn. »Und das war kein Zirkustrick.«
»Stimmt leider.«
Jenny Holland sagte nichts mehr. Sie entfernte sich von mir und dem Fahrzeug, um sich die Umgebung genauer anzuschauen, was ihr aber nichts brachte, denn die andere Seite zeigte sich nicht mehr. Und auch ich spürte sie nicht mehr.
Dann war ich wieder an der Reihe, ihr eine Frage zu beantworten.
»Sag mal, John, ich habe sie doch getroffen. Das hast du gesehen, oder?«
»Ja, habe ich.«
Sie schüttelte den Kopf und winkte ab. »Kann man denn davon ausgehen, dass ich sie auch getötet habe? Typen, die aus der Vergangenheit gekommen sind und in der Zukunft vernichtet wurden?«
»Ich weiß es nicht. Aber was ist genau passiert, als die Kugeln sie trafen?«
»Sie starben - oder?«
»Wie genau sah das aus?«
Sie erzählte es mir, und ich hörte von der hellen Aura, die plötzlich entstanden war. Ob eine normale Bleikugel die Männer vernichtet hatte, nahm ich trotzdem nicht an. Möglicherweise würde sich so etwas wiederholen.
»Jedenfalls weiß ich jetzt, in welch eine Falle mein Vater gelaufen ist. Ich hatte ja noch bis vor Kurzem daran gezweifelt. Jetzt muss ich ihm Abbitte leisten.«
»Ja, das musst du wohl.«
Sie kam auf mich zu und blieb dicht vor mir stehen. »Und was ist mit dir? Wie ist es dir ergangen?«
»Ich hörte nur die Stimmen.«
»Nichts gesehen?«
»Nein.«
Sie ballte die Hände und war noch immer leicht von der Rolle. »Warum haben sie mich angegriffen und nicht dich?«
»Ich vermute mal, dass sie sich vor mir fürchteten.«
»Und was ist der Grund?«
Ich deutete auf meine Brust. »Das Kreuz, Jenny.«
Sie überlegte einen Moment und nickte dann. »Ja, das kann ich mir vorstellen. Du hast da so etwas wie einen Schutzengel aus Metall.«
»Edelmetall!«, korrigierte ich sie.
»Meinetwegen auch das.« Dann lachte sie wieder. »Es ist nichts mehr zu sehen, gar nichts. Eine völlig normale Welt. Das begreife, wer will. Ich sehe auch kein
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