1573 - Grauen im Geisterschloss
dicht beisammen.
Schon aus weiterer Entfernung war zu erkennen, dass sich nur wenige Leute auf der Straße aufhielten.
Autos fuhren so gut wie nicht, aber es gab wohl einige Whisky-Destillen, denn in der Luft lag ein bestimmter Geruch.
Die Asphaltdecke der Straße wurde am Ortsbeginn von Kopfsteinpflaster abgelöst, das einige Löcher aufwies, die nur notdürftig ausgebessert waren.
Wir hatten abgesprochen, dass wir mit Dr. Morton reden wollten, und suchten zuerst nach dem Krankenhaus, das eigentlich keines war, denn der örtliche Arzt hatte einige Räume in seinem eigenen Haus zu Krankenzimmern umgestaltet.
Das einheitliche Grau der Häuser wurde durch das Grün einiger Baumkronen aufgelockert. Der leichte Wind trieb hier und da Blätter über die Straße, und ich suchte nach einem Menschen, den wir nach Dr. Morton fragen konnten.
Es waren jetzt einige Leute zu sehen, und schon aus dem Wagen heraus erkannten wir, dass sie unser Fahrzeug misstrauisch beobachteten, was uns allerdings kalt ließ.
Dann hatten wir Glück. Ich ging davon aus, dass wir das Zentrum des Ortes erreicht hatten, als Jenny Holland einen leisen Ruf ausstieß.
»Was ist los?«
Sie lachte. »Ich sehe das Krankenhaus. Fahr mal nach rechts, wo die beiden Bäume stehen. Das Haus mit dem Zaun und dem kleinen Vorgarten. Ich habe dort ein Schild gesehen.«
»Wunderbar.«
Noch hatte wir nicht absolute Gewissheit. Eine halbe Minute später schon. Da hatte ich den Wagen geparkt und konnte die Aufschrift selbst lesen.
Es war das Krankenhaus des Dr. Morton. Er bezeichnete es nicht als Krankenhaus, sondern als Krankenstation, was mich auch nicht weiter störte.
Wir stiegen beide aus.
Jenny Holland hatte die Arme angewinkelt und die Hände in die Seiten gestemmt. Dabei drehte sie sich auf der Stelle und hatte die Stirn in Falten gelegt »Worüber denkst du nach?«, fragte ich.
Sie schnaufte leise. »Ich bin gespannt, was man dazu sagen wird, wenn man hört, wer ich bin.«
»Na ja, man wird nicht besonders überrascht sein. Die Polizei hat hier ja schon nachgeforscht. Und das waren wohl die Kollegen aus Edinburgh. Aber sie hatten Pech. Vielleicht war ihnen dieser Fall auch zu suspekt. Mal schauen, was uns Dr. Morton zu sagen hat.«
»Er wird sich keine Schuld geben.«
»Das muss er auch nicht.«
»Aber ich will mehr über die Hintergründe erfahren, John. Ich habe zwar noch mit keinem Bewohner gesprochen, aber es kommt mir vor, als wüsste hier jeder Bescheid. In diesen Dörfern kann es oft unter der Oberfläche brodeln.«
Ich verstand sie. Jenny hatte ihren Vater verloren. Da war es kein Wunder, wenn sie gefühlsbetont reagierte.
Wir mussten ein kleines Tor nach innen schieben und gingen durch den Vorgarten auf das Haus zu. Es war auch aus grauen Mauern gebaut, die selbst die Fenster dunkel erscheinen ließen. Die Tür hatte einen grünen Anstrich, der allerdings verblasst war.
Es gab eine Klingel, auf deren Knopf ich meinen Daumen drückte. Ein Geräusch innen im Haus war nicht zu hören, aber die Tür wurde rasch geöffnet.
Wir zuckten beide etwas zurück, als wir die Fray sahen, die vor uns stand.
Das war kein Dr. Morton, sondern eine große, recht mollige Person mit einem runden und netten Gesicht. Das dunkle Haar war zu einem Dutt aufgetürmt, und die ebenfalls dunklen Augen schauten uns fragend ah, bevor wir ihre Stimme hörten.
»Sie wünschen?«
Jenny Holland lächelte honigsüß. »Wie möchten gern zu Dr. Morton.«
»Hm. Sind Sie angemeldet?«
»Nein.«
»Geht es um einen Notfall?«
»Auch nicht.«
Die Frau öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, aber diesmal war ich schneller. Ich hatte meinen Ausweis hervorgeholt und präsentierte ihn.
»Darum geht es.«
Sie schaute genau hin und schüttelte den Kopf. »Ist das ein Polizeiausweis?«
Innerlich musste ich grinsen. »Ja, von Scotland Yard. Sie haben doch davon schon gehört.«
Jetzt warf sie mir einen strafenden Blick zu.
»Was denken Sie denn? Wir haben hier auch Fernsehen. Da schaue ich mir immer die Polizeiserien an. Deshalb kenne ich auch Scotland Yard.«
»Wie schön.«
»Und dürfen wir jetzt zu Dr. Morton?«, fragte Jenny.
»Weiß ich nicht. Er schläft.«
Jenny Holland lächelte, bevor sie sagte: »Dann wecken Sie ihn verdammt noch mal.«
Die Frau im weißen Kittel zuckte zusammen. »Ja, ja, ich werde es versuchen.«
Ich hielt sie noch auf und fragte: »Sie sind hier die Krankenschwester?«
»Klar.«
»Die einzige?«
»Nein. Manchmal kommt noch
Weitere Kostenlose Bücher