1574 - Töte mich, dunkler Spiegel
sagte.
Den Gefallen tat sie ihnen jedoch nicht.
Schließlich war es Kid leid. Er wollte auch nicht als Feigling gelten, und so sprach er sie an.
»He, Lena, toll, dass du wieder bei uns bist. War wohl eine irre Reise, nicht?«
Sie schwieg und blickte über den Tisch hinweg.
»Kannst du nicht mehr sprechen?«
»Doch!« Das eine Wort war nur wie ein Hauch, aber es verschaffte den dreien Erleichterung. Es schien mit Lena alles wieder normal zu sein.
»Dann sag doch, wie es dir ergangen ist. Bitte, wir sind gespannt. Wir wollen auch hin.«
Kid dachte, auch für seine Freunde zu sprechen, doch die machten wahrhaftig nicht den Eindruck, als wollten sie den gleichen Weg gehen wie Lena.
»Ich war da…«
»Super. Und wo?«
»Ich war da!«
Kid Langster schüttelte den Kopf. »Verdammt noch mal, sag doch genau, wo du gewesen bist.«
»Ich war da.«
»Ja, und weiter?«
»Ich gehe jetzt.«
Lenas Entschluss kam für alle überraschend. Sie tauschten Blicke.
Niemand wusste, wie er sich verhalten sollte, und selbst Kid hielt nun den Mund.
Daran störte sich Lena nicht. Sie drehte sich nach links. Anschließend ging sie mit den gleichen traumhaften Bewegungen auf die Tür zu, durch die sie den Schuppen betreten hatten. Niemand traute sich, sie aufzuhalten. Sie starrten ihr nur nach.
Kid wollte aufstehen. Er hatte es bereits zur Hälfte geschafft, da hielt Susan ihn zurück.
»Nein, lass es lieber.«
»Warum?« Die Frage klang wütend.
»Sie muss ihren Weg gehen. Lena ist eine andere Person geworden. Glaube ich zumindest. Die muss was Schlimmes erlebt oder gesehen haben. Sie wird sich von uns nichts mehr sagen lassen. Davon bin ich überzeugt.«
Langster hatte sich wieder gesetzt. »Und wo will sie hin? Was meinst du?«
»Keine Ahnung. Wer kann schon wissen, was man mit ihr in dieser anderen Welt gemacht hat? Ich jedenfalls weiß es nicht.«
Lena Wilcox hatte mittlerweile die Tür erreicht. Für einen Moment blieb sie dort stehen. Es sah so aus, als wollte sie sich noch mal umdrehen, um mit ihren blicklosen Augen zurückzuschauen. Sie tat es nicht. Sie legte eine Hand auf die Klinke, zog die Tür auf und tauchte in die Dunkelheit ein.
Wie Puppen saßen die drei Freunde am Tisch. Unbeweglich und auch sprachlos.
Plötzlich sagte Percy King: »Sie ist mit dem Fahrrad gekommen. Damit wird sie wohl wegfahren.«
»Und wohin?«, fragte Susan.
»Keine Ahnung. Vielleicht nach Hause. Kann auch sein, dass sie sich verstecken will.« Percy schlug seine Hände zusammen. »Ihr habt sie doch gesehen, verdammt! Was war sie eigentlich für euch?«
Kid Langster starrte ihn an.
»Was meinst du damit?«
»Wie ich es schon sagte. Was ist sie für euch gewesen nach ihrer Rückkehr?«
»Lena Wilcox.«
»Klar, so heißt sie. Und weiter?«
Kid sah Susan an. »Verstehst du, was er meint?«
»Ich denke schon«, flüsterte die junge Frau mit den unnatürlich roten Haaren.
»Die ist nicht mehr dieselbe Person, obwohl sie so aussieht.«
»Als wäre Sie tot und würde trotzdem noch leben«, flüsterte Percy. Er bekam eine Gänsehaut und starrte seinen Freunden in die Augen.
»Wisst ihr, was das heißt?«
»Du wirst es uns sagen!«, murmelte Kid.
»Ja, ich sage euch, was ich denke. Lena ist zu einem weiblichen Zombie geworden.« Er nickte heftig. »Ja, das ist meine Meinung. Sie lebt und handelt wie eine Tote. Obwohl sich der Vergleich blöd anhört. Aber so denke ich.«
Susan Wild und Kid Langster er widerten zunächst nichts. Sie waren wie vor den Kopf geschlagen. Aber die Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt, das war ihnen anzusehen.
Ihre Gesichter hatten alle Farbe verloren. Mit dem Begriff Zombie konnten sie etwas anfangen. Sie hatten genügend Filme gesehen und auch darüber gelesen. Dass sie allerdings selbst damit in Berührung kommen würden, damit hatten sie nicht rechnen können. Zwischen Film und Realität gab es noch immer einen breiten Graben.
»Ihr glaubt mir nicht?«
»Das ist schwer«, flüsterte Susan.
»Aber ich sehe keine andere Möglichkeit. Nennt mir eine einleuchtender Erklärung. Dann bin ich dabei.«
Susan und Kid schwiegen. Was sie gehört hatten, war schlimm. Zudem unglaublich, aber sie wussten dennoch, dass es eine Erklärung geben musste.
Vielleicht war sie nicht mal so falsch.
Susan suchte trotzdem nach einer anderen.
»Kann es nicht sein, dass Lena ein Schockerlebnis gehabt hat?«, fragte sie. »Sie wurde dadurch verändert, und sie hat es nach ihrer Rückkehr nicht verdaut. Es
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