1576 - Die Leichengasse
gegen eine Wand zu schauen.
Sie war auch da, aber sie war anders. Es war eine Wand, die grau aussah, die aber auf eine besondere Weise lebte, weil sie nicht die übliche Starre zeigte. Sie zitterte in sich selbst. Mein Kreuz hatte mich nicht betrogen. Vor mir befand sich keine normale Zimmerwand, sondern das Tor in eine Zwischenwelt…
***
Jetzt wird es ernst, dachte Jane, als sie auf den Boden prallte. Jetzt musst du dich behaupten!
Es war ein Vorsatz, der kaum in die Praxis umzusetzen sein würde, denn der Typ mit dem knochigen Gesicht wusste genau, was er zu tun hatte.
Er zerrte an ihr. Die Peitsche hatte sich mehrmals um Janes Bein gewickelt. Sie würde das Leder nicht so ohne Weiteres entfernen können, und schon bei der ersten Zerrbewegung geriet sie in eine kreisende Bewegung, die ihr den Überblick nahm.
Einen Vorteil hatte sie. Sie lag nicht mehr auf der Seite, sondern auf dem Rücken, sodass sie nicht zu befürchten brauchte, dass ihr Gesicht in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Jane wusste, dass es nur eine Chance für sie gab.
Sie musste die dunkle und fettig aussehende Peitschenschnur zu fassen bekommen, um an ihr zu zerren, damit sie den Hundesohn von den Beinen holen konnte.
Das war leichter gesagt als getan. Der Riemen befand sich einfach zu weit von ihr entfernt. So lang waren ihre Arme nicht. Sie hätte sich schon verrenken müssen, um es zu schaffen, aber durch ihre Rückenlage und dadurch, dass ihr Widersacher die Schnur straff hielt, war es unmöglich.
Der Typ hatte seinen Spaß. Er lachte bei jedem Schritt auf, als er Jane durch die Leichengasse zog. Jetzt merkte sie, dass auch Staub in die Höhe quoll, und sie spürte die ersten Schmerzen an ihrem Rücken, denn auf der Straße lagen zahlreiche kleine Steine, die sie bisher nicht gesehen hatte, nun aber spürte. Noch hielt der Stoff ihrer Kleidung, und es war nur eine Frage der Zeit, wann er riss.
Der Kerl zog sie weiter. Bestimmt hatte er ein Ziel. Er wollte hin zum Ghoul und ihm die neue Nahrung bringen.
Dieser Gedanke putschte die Detektivin auf. Sie ärgerte sich, dass sie bisher viel zu passiv gewesen war.
Mit einem heftigen Ruck geriet sie in eine sitzende Stellung. Sie würde sie nur sekundenlang halten können.
Ihre Hände griffen nach der Schnur. Die Arme hatte sie so weit wie möglich ausgestreckt und hatte das Glück, die Lederschnur umfassen zu können.
Sofort zog sie daran!
Das merkte der Kerl. Er fluchte. Er hielt auch inne und drehte sich um.
Jane zerrte ein zweites Mal an der Peitschenschnur, und dabei setzte sie all ihre Kraft ein. Sie schrie dabei sogar auf,, und ihr Peiniger hatte nicht mit dieser kraftvollen Attacke gerechnet.
Der Peitschengriff, der sicherlich schon vom Schweiß feucht geworden war, rutschte ihm aus den Händen und fiel zu Boden, wo er nicht liegen blieb, denn Jane zog ihn mitsamt der Schnur blitzschnell zu sich heran.
Ihre Lage hatte sich verbessert, doch noch war sie nicht aus dem Schneider, weil die Schnur sie weiterhin umwickelte und sie keine Gelegenheit bekam, sich davon zu lösen, denn auch der Kerl wusste genau, was er zu tun hatte.
Er rannte auf sie zu. Sein Gesicht war eine Grimasse der Wut. Es sah aus, als wollte er sie anspringen und sich auf sie werfen. Das tat er auch.
Er hätte mit seinen Absätzen ihren Oberkörper getroffen, wenn Jane nicht schneller gewesen wäre.
Jetzt war die Peitsche ihre Waffe. Das heißt, sie nahm den harten Griff und rammte ihn genau in dem Moment schräg in die Höhe, als sich der Typ auf sie fallen ließ.
Volltreffer!
Das Ende des Peitschengriffs erwischte den Mann an seiner empfindlichsten Stelle zwischen den Beinen.
Plötzlich war es vorbei mit seiner Angriffswut. Er kippte zur Seite und heulte dabei auf wie ein angeschossenes Tier. Er landete auf dem Boden, lag rücklings und presste seine Hände dorthin, wo er getroffen worden war. Er trat um sich, er schrie und jammerte auch weiterhin, was eine Jane Collins nicht kümmerte. Sie hatte andere Dinge zu tun.
Noch immer umwickelte die Schnur ihr linkes Bein. Jetzt hatte sie endlich Gelegenheit, sich davon zu lösen. Sie konnte sich sogar Zeit dabei lassen, weil ihr Peiniger zu sehr mit sich selbst beschäftigt war.
Jane winkelte ihr Bein an. An die Schmerzen im Rücken dachte sie nicht mehr. Nach wenigen Gegenbewegungen hatte sie das Leder von ihrem Bein gelöst.
Jetzt war sie frei!
Sie stand auf. Niemand hielt sie mehr auf, und sie konnte sich normal hinstellen. Den Peitschengriff hielt
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