1576 - Die Leichengasse
und…«
»Was war mit Jane Collins?«
»Ich habe ihm von ihr erzählt.« Aaron Grant grinste.
»Und?«
»Da wollte er sie haben. Nicht mehr die alten Leichen. Jane Collins ist jung, sie ist frisch, und er freute sich wahnsinnig auf sie. Deshalb wurde sie in seine Welt geschafft.«
Mir stieg das Blut in den Kopf. Es war eine Folge der Angst, die ich um Jane hatte. Sie hielt sich schon ziemlich lange in dieser anderen Zone auf. Eigentlich zu lange, um überleben zu können.
Suko verfolgte einen ähnlichen Gedankengang wie ich. Er war blass geworden und hatte die Lippen auf einander gepresst.
»Was ist mit Jane passiert?«, flüsterte ich scharf. »Ist sie noch am Leben?«
»Das weiß ich nicht!«
Es war seltsam, doch in diesem Augenblick nahm ich Aaron Grant ab, dass er die Wahrheit gesprochen hatte.
»Sie kann also schon tot sein?«
Er hob die Schultern.
Sofort folgte meine nächste Frage. »Wie nehmt ihr Kontakt miteinander auf? Gehen Sie zu ihm?«
»Hin und wieder.«
»Das ist gut.«
»Wieso?«
»Ganz einfach, denn jetzt werden wir zu dritt die Leichengasse betreten.« Ich wies mit dem Daumen über meine Schulter hinweg.
»Hinter mir ist die Tür.«
Grant sagte nichts. Er überlegte. Und er war nervös, denn seine Blicke irrten hin und her. Er wusste wahrscheinlich, dass er aus dieser Klemme nicht mehr herauskam. Er schwitzte noch stärker. Sein Hemd klebte am Körper.
Ich winkte mit dem rechten Zeigefinger. »Kommen Sie her zu mir, Grant.«
»Nein.«
»Ach, Angst?«
»Es ist keine Welt für mich.«
»Das weiß ich. Für uns auch nicht, aber wir werden trotzdem hineingehen. Schließlich müssen wir wissen, was mit Jane Collins geschehen ist. Ich hoffe für Sie, dass wir sie dort lebend vorfinden. Alles andere wäre schlecht für Sie.«
»Ich weiß es nicht, verdammt noch mal. Ich war hier und nicht in der anderen Welt. Das müssen Sie mir glauben.«
Ich zwinkerte Suko kurz zu, und er wusste, was er zu tun hatte. Er löste seine Hand von der Schulter des Bestatters und packte danach blitzartig zu.
Die Finger umkrallten Grants Nacken. Der Bestatter schrie leise auf, weil er den starken Druck ertragen musste. Dabei blieb es nicht, denn Suko drückte ihn nach vorn, und Grant blieb nichts anderes übrig, als seine Beine zu bewegen.
Neben mir hielten die beiden an.
»Okay«, sagte ich, »geht ihr vor.«
Sie taten es. Ein langer Schritt, dann hatten sie die Wand erreicht, in der es auch weiterhin zirkulierte.
Suko schob den Bestatter vor.
Grant verschwand zuerst. Anschließend war Suko an der Reihe. Ich machte den Schluss.
Die Wand, die so fest aussah, bildete kein Hindernis. Ich trat in sie hinein und auch wieder hinaus.
Nur befand ich mich da in einer anderen Zone…
***
Jane Collins blieb stehen.
Sie hatte gute Ohren, und sie wüsste genau, dass der Sprecher es ernst gemeint hatte. Wenn sie vorging, war sie verloren. Dass er ein guter Schütze war, hatte er bewiesen. Ein paar Zentimeter weiter, und er hätte sie getroffen.
»Das ist gut, Jane, wirklich.«
Diesmal hatte ein anderer Mann gesprochen, und zwar von der linken Häuserzeile hör.
Jane fiel ein, dass es drei Männer gewesen waren, die sie gekidnappt hatten. Zwei waren im Fahrerhaus gewesen, der Dritte hatte sich von draußen angeschlichen. Ob er es war, den sie bewusstlos geschlagen hatte, wusste Jane nicht. Aber es war immerhin einer weniger, dachte sie mit Galgenhumor.
Es war wieder still geworden. Nur hielt die Stille nicht lange an, denn sie wurde von Schrittgeräuschen durchbrochen, die sich ihr von zwei Seiten näherten.
Jane Collins schaute zuerst nach rechts.
Der Mann, der geschossen hatte, war recht klein, aber breitschultrig. Er hatte den schwankenden Gang eines Seemanns. Das Gesicht empfand Jane als nichtssagend. Es war eines, das man sah und schnell wieder vergaß.
Sie drehte den Kopf nach links. Von dort schlenderte der zweite Typ heran. Er ging aber nicht auf sie zu, sondern zum Bewusstlosen hinüber.
Neben ihm blieb er stehen und bückte sich. Er untersuchte ihn, kam wieder hoch und sagte: »Er ist nicht tot.«
»Dein Glück«, flüsterte der Mann in Janes Nähe.
»Er hat mich angegriffen. Ich musste mich wehren.«
»Klar, das hast du gut gemacht. Kompliment. So etwas hätte nicht jeder geschafft. Aber jetzt ist der Spaß vorbei. Ab nun gelten andere Regeln für dich.« Der Sprecher zielte auf ihren Kopf. »Lass die Peitsche los.«
Jane gehorchte.
Für sie war klar, dass sie von den beiden
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