1577 - Der Engelssohn
nicht mehr.« Der Templer presste seine Hände gegen die Schläfen. »Da stimmt doch was nicht.«
»Meinst du den Jungen?«
»Nein, uns. Dich und mich. Irgendwas kann ich da nicht mehr richtig einordnen.« Er schaute seine Frau an. »Hast du geschlafen? Ich meine richtig?«
»Nicht wirklich.«
»Und wie bist du dir vorgekommen?«
»Keine Ahnung. Wie meinst du das?«
»Ich hatte das Gefühl, alles erleben und sehen zu können, wobei es mir nicht gelang, mich selbst zu wecken und somit einzugreifen. Und das hatte was mit Gabriel zu tun.«
»Dann haben wir das Gleiche erlebt.«
Sie schwiegen. Sie konnten einfach nichts sagen, weil sie erst über das Erlebte nachdenken mussten, was nicht einfach war, denn sie fanden sich mit der Situation nicht zurecht.
»Da war etwas, und das hat mit dem Jungen zu tun gehabt«, flüsterte Sophie.
»Ich weiß. Er ist gegangen.«
»Und wohin?«
»Vielleicht zu ihnen. Zu seinen Eltern. Wer immer sie auch sein mögen. Verstehst du?«
»Er schwebte weg.«
»Ja, hinein in das Licht.«
»Aber nicht in die Hölle, Godwin. Die Hölle ist nicht das Licht. Sie ist das Dunkel. Ich denke, dass Gabriel seine Aufgabe erfüllt hat. Alles Weitere müssen wir unternehmen. Er hat uns vor dem Teufel gewarnt, und nun sind wir an der Reihe.«
»Ein Teufel, der Matthias heißt.«
Sophie lachte leise. »Ich höre, du hast nichts vergessen.«
»Du denn?«
»Nein.«
»Dann willst du dich immer noch mit John Sinclair in Verbindung setzen?«
»Ja. Und ich werde ihn nicht nur fragen, ob er einen Matthias kennt, der aus der Hölle kommt, sondern ihm auch berichten, was wir mit dem Säugling Gabriel erlebt haben.«
Godwin schüttelte den Kopf. »Wo hinein sind wir da geraten? Der Junge verschwand mit dem Licht. Er schwebte davon wie die Seele eines Heiligen dem Himmel entgegen.«
»Lass uns aufstehen, Godwin.«
»Sicher, Sophie, und wir werden John anrufen. Was meinst du? Sollen wir auch unsere Brüder im Kloster warnen?«
»Vorerst nicht. Der Anruf nach London ist erst einmal wichtiger. Dort sind sie eine Stunde zurück. Wir können zuvor noch einen Kaffee trinken, denke ich.«
Die siebte Morgenstunde war noch nicht angebrochen. Gemeinsam standen sie auf.
Sophie ging zum Fenster. Sie zog es weit auf, um die frische Morgenluft hereinzulassen, mit der sie ihre Lungen füllte.
Gleichzeitig suchte sie den Garten ab. In der Hoffnung, eine Spur des Jungen zu finden.
Da war nichts, gar nichts, bis auf ein paar letzte Dunstschwaden, die sich aber wieder verzogen.
Der Templer ging als Erster unter die Dusche.
Sophie setzte sich wieder auf die Bettkante und ließ das Revue passieren, was ihnen in der vergangenen Nacht widerfahren war.
Es war so unwahrscheinlich gewesen, dass sie es noch immer nicht richtig glauben konnte.
Wer war dieser geheimnisvolle Gabriel?
Tatsächlich das Kind eines Engels?
Wenn ja, dann war er von ihnen gekommen und später wieder zurück zu ihnen gegangen, nachdem er seine Botschaft losgeworden war.
Godwin kehrte vom Duschen zurück. Sein braunes Haar glänzte noch nass. Er lächelte seiner Frau zu, die aufstand und sich von ihm in die Arme nehme ließ.
»Ich weiß nicht, was da auf uns zukommt, Godwin, aber ich habe Angst vor der Zukunft.«
Das hatte Godwin auch, nur gab er es nicht zu…
***
Auch wenn es mir schon x-mal widerfahren war, es geschah immer wieder. Ich hatte schon einen Arm ausgestreckt, um das Wasser der Dusche auf mich nieder rauschen zu lassen, als sich im Zimmer nebenan der moderne Störenfried - sprich Telefon - meldete.
»Nein!«, sagte ich, machte aber trotzdem kehrt, um zu erfahren, wer sich da meldete. Meinen Namen nannte ich nicht, ich gab auch keinen blöden Spruch von mir, denn der Anrufer war schneller.
»Gut, dass du zu Hause bist.«
Die Stimme hatte ich sofort erkannt, auch wenn sie etwas gepresst geklungen hatte.
»Godwin, du alter Kreuzritter, so früh am Morgen?«
»Ja, und das nicht ohne Grund.«
»Okay, ich höre.«
Noch gab ich mich lässig, was jedoch bald vorbei war, als ich den Grund des Anrufs, erfuhr.
Es war wirklich unglaublich, doch ein Mann wie der Templerführer machte keine Sprüche.
Und dann hatte ich das Gefühl, als wäre mir der Boden unter den Füßen weggezogen worden.
Ein Name war gefallen, der mich elektrisierte. Matthias, ein Mensch, ein abtrünniger Agent der Weißen Macht, der sich dem Bösen verschrieben hatte und sich nun in der sicheren Obhut Luzifers bewegte.
»Hast du Matthias gesagt,
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