1579 - Der Kopf des Dämons
nahm die Hände von ihrem Mund. »Ja, ich glaube. Es ist mal ein Mann auf der Insel gewesen, der sie vermessen wollte. Das hat er auch getan. Bevor er wieder abfuhr, kam er noch in meinen Laden. Er war völlig verstört und hat von einem Schiffsunglück gesprochen, das bald stattfinden würde. Er sprach sogar von seinem eigenen Tod…«
»Und«, fragte Suko, »sind die Ereignisse eingetreten?«
Rhonda nickte sehr bedächtig. »Ja, das Schiff ging vor Lands End unter. Und die Leiche des Mannes wurde an unserer kleineren Nachbarinsel angeschwemmt. So ist die Prophezeiung eingetreten. Das weißt du auch, Irvin, du hast es nur verdrängt.«
»Ja, kann sein.«
Suko und ich waren nicht eben erfreut, als wir das hörten. Natürlich dachten wir an Patricia. Zum Glück lebte sie noch, aber auch sie stand unter einem fremden Einfluss, der mit ihr machen konnte, was er wollte.
»Sonst hat er die Bewohner hier in Ruhe gelassen, nicht wahr?«, fragte Suko.
»Wir leben alle noch.« Irvin goss sein kleines Glas wieder voll und trank es leer. »Das soll auch noch eine Weile so bleiben. Ich habe mir angewöhnt, über gewisse Dinge gar nicht erst nachzudenken. Das ist besser so. Ich nehme alles hin, was hier auf der Insel geschieht. Und welche Macht dieser Kopf hat, ist mir letztendlich egal. Wir haben damit gelebt und werden es auch weiterhin so halten, hoffe ich. In meinen Kopf sind seine Gedanken jedenfalls nicht eingedrungen.«
»Haben Sie ihn schon gesehen?«
Irvin Proud stierte mich an. Er hatte schon etwas zu viel getrunken.
»Ja, ist schon lange her. Da war ich mal in der Höhle. Ich sah ihn in einem grünen Licht. Er ragte aus der Erde hervor. Ich bin dann weggelaufen. Keiner von uns hat sich um ihn gekümmert. Und dass er in die Gedanken der Menschen eindringen kann, das verstehe ich auch nicht. Aber das muss ich auch nicht. Ich habe ihn immer als ein Phänomen angesehen, und dabei bleibt es.«
Wir konnten nichts dazu sagen. Es wäre reine Zeitverschwendung gewesen. Wir mussten uns damit abfinden, dass es schon in sehr alten Zeiten dieses Wissen um die Zukunft gegeben hatte. Wahrscheinlich war die Gestalt verehrt worden wie ein Gott. Er hatte den Menschen helfen und sie deshalb warnen wollen. Als dann seine Warnungen eintrafen, waren die Menschen überfordert und hatten ihn weggeschafft. Eben auf diese einsame Insel, wo man ihn einfach in die Erde gesteckt hatte.
Aber er lebte. Er hatte überlebt. Man konnte ihn als einen Zombie aus Aibon ansehen, denn darauf wies das grünliche Licht hin. Ein Dämon mit menschlichem Kopf, der nicht vergangen war und so etwas wie eine ewige Existenz erhalten hatte.
Aber auch einer, der Unheil brachte, und deshalb mussten wir versuchen, ihn zu stoppen. Er hatte uns töten wollen, indem er die Höhle hatte einstürzen lassen.
Wir lebten noch, aber seinen Vorsatz hatte er bestimmt nicht aufgegeben. Er würde es noch mal versuchen, und dagegen mussten wir etwas unternehmen.
»Ich glaube, wir haben genug erfahren«, sagte ich und traf Anstalten, mich zu erheben.
Irvin Proud schüttelte den Kopf. »Wo wollt ihr denn hin?«
»Zu dieser ehemaligen Höhle. Wir wollen ihr einen zweiten Besuch abstatten.«
»Seid ihr denn lebensmüde?«
»Bestimmt nicht.« Ich ging bereits zur Tür und sah, dass Suko mir folgte.
Die Prouds blieben zurück, was uns recht war. Denn diesen Weg mussten wir allein gehen.
Vor der Tür hielt mich Suko auf. »Was ist mit Pat Wells?«
»Oh, die hatte ich ganz vergessen.«
»Wir sollten ihr zumindest Bescheid geben, John, ihr allerdings davon abraten, mit uns zu kommen.«
Genau der Meinung war ich auch.
Suko stieg die Treppe hoch. Ich wartete vor dem Haus auf ihn. Die Dunkelheit war noch nicht angebrochen, aber der Tag neigte sich seinem Ende zu. Dunkle Wolken verdeckten die tief stehende Sonne.
Zudem blies mir ein steifer Wind entgegen. Über die Kaimauer des kleinen Hafens hinweg schäumten erste Gischtfahnen, und die dort liegenden Boote tanzten auf den Wellen.
Die Bewohner hatten Wort gehalten und Wachen aufgestellt, wobei Irvin Proud noch fehlte. In seinem angetrunkenen Zustand war es auch besser für ihn, wenn er im Haus blieb.
Suko öffnete hinter mir die Haustür. Als ich mich umdrehte und in sein Gesicht schaute, wusste ich sofort, dass etwas geschehen war. Er kam meiner Frage zuvor.
»Pat ist spurlos verschwunden, John!«
***
Sie war unterwegs. Sie würde sich auch durch nichts aufhalten lassen, denn der Ruf in ihr war stärker. Und so
Weitere Kostenlose Bücher