158 - Amoklauf der Werwölfe
erklang ein kreischender Laut, als würden Krallen über den Stahl gezogen. Kiwibin schrie auf und löste sich von der Tür. Er sah sie überrascht an.
Rotglühende Zeichen entstanden.
„Sie ritzen magische Zeichen in den Stahl", erkannte Dorian besorgt. „Wenn sie komplett sind, wird die Magie die Tür aufsprengen. Der Zauber frißt sich durch den Stahl bis auf diese Seite."
Die Dämonen setzten einen starken Zauber ein. Dorian konnte die Zeichen nur spiegelverkehrt erkennen, aber sie sagten ihm genug.
„Wir müssen weg hier", sagte er. „Ich fürchte, sie schaffen es, ehe die Soldaten mit den Silberkugeln kommen."
Flindt ballte die Fäuste. „Gegenzeichen", schlug er vor. „Wir müssen den Zauber abblocken oder zum Erlöschen bringen."
„Und womit?" fragte Dorian. „Wir haben auch die Kreide nicht mehr. Kaspoff war ja so schlau, uns alles abnehmen zu lassen, und seine Leute waren verdammt gründlich."
Kiwibin nickte ihm zu.
„Wir tragen Letskij und ziehen uns zurück", sagte er.
Inzwischen war die Tür von glühenden Zeichen übersät. Es konnte nur noch Augenblicke dauern. Die Männer hoben den reglosen Kommissar auf und hatten gerade ein paar Meter zurückgelegt, als ein dumpfer Knall ertönte. Die Stahltür wurde aus Schloß und Angeln gedrückt, flog gut einen Meter weit in den Korridor und zerpulverte dann zu Staub, der auf den Boden wehte. Im gleichen Moment stürmten die drei Dämonen in den Gang hinaus.
Und sie griffen sofort an.
Ein schwarzhaariges Mädchen schreckte aus dem Schlaf auf.
Aber Dunja Dimitrow erwachte dabei nicht richtig. Sie glitt in einen Trancezustand hinüber; sie träumte. Sie sah jagende Werwölfe in einer weiten Ebene. Sie sah Gesichter, dämonische Fratzen, Menschen… sie kannte sie. Da war Abi Flindt…
Und da waren mordende Bestien. Plötzlich sah das Medium es ganz deutlich. Dunja schrie. Werwölfe, Dämonen, griffen Abi Flindt und die anderen an, wollten sie töten. Dunja tobte und schlug um sich. Schläuche rissen ab. Elektroden lösten sich. Die Instrumente, an denen die Verletzte in der Krankenstation hing, gaben Alarm. Eine Krankenschwester wurde förmlich von ihrem Stuhl katapultiert und rannte über den Korridor zu Dunjas Zimmer.
Dunja träumte. Und in ihrem Traum empfand sie Haß, gnadenlosen und verzweifelten Haß auf die übermächtigen Dämonen. Und diesen Haß strahlten ihre Gedanken ab. Sie entfesselte in ihr wohnende PSI-Kräfte, von denen sie bislang nichts geahnt hatte.
Sie schleuderte ihren Traum-Haß auf die Dämonen.
Die Krankenschwester stürmte in das Zimmer, unmittelbar gefolgt von zwei Ärzten. Entsetzt sahen sie das tobende Mädchen, sprangen hinzu und versuchten Dunja zu beruhigen, stillzulegen.
Und der furchtbare Traum dauerte an.
Plötzlich wurden die Dämonen langsamer. Sie waren irgendwie verwirrt, wirkten ziellos. Dorian begriff nicht, wie das geschehen konnte. Aber dann tauchte einer der Soldaten auf. Er hielt die drei mit Silberkugeln geladenen Pistolen von Dorian, Abi und Kiwibin in den Händen. Als er die Ungeheuer sah, die Wölfe in menschlicher Gestalt, erstarrte er förmlich.
„Schießen Sie!" schrie Kiwibin.
Da kam wieder Bewegung in die Soldaten. Er entsicherte eine der Pistolen und schoß auf die Dämonen. Die beiden anderen Waffen warf er Flindt zu, der beide Hände frei hatte. Der Däne fing eine der Pistolen auf. Die andere erwischte er nicht mehr; sie schlitterte über den Boden und rutschte auf die Werwolf-Dämonen zu. Einer wurde vom Einschlag der Silbergeschosse zurückgeworfen, taumelte gegen die Wand und krümmte sich langsam zusammen. Ein schauriges Heulen entrang sich seiner Kehle.
Jetzt schoß auch Flindt. Es wurde Zeit. Die Werwölfe hatten die Menschen fast erreicht. Wenn es normale Werwölfe gewesen wären, hätten bereits eine oder zwei Kugeln ausgereicht, sie auszuschalten. Aber das Dämonische in diesen Ungeheuern war zu groß. Hier bedurfte es größerer Kräfte und mehrerer geweihter Silberkugeln. Die Kugeln pflanzten brennende Herde in die Dämonenkörper, die sich weiter ausdehnten. Schwarzes Blut quoll hervor. Die Unheimlichen gingen in die Knie, sanken auf alle viere. Kiefer schnappten, und Zähne krachten aufeinander. Der falsche Kaspoff tastete nach der Pistole, die vor ihm lag, und umschloß sie mit seiner Klauenhand. Er versuchte die Hand zurückzuverwandeln, um die Pistole besser bedienen zu können. Er schaffte es fast; immerhin konnte er die Waffe entsichern und abfeuern. Die
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