1580 - Rätselhaftes Kima
weiten informieren."
„Bist du taub?" Er sprang auf und fuchtelte zornig mit den Händen. „Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Ich stehe ganz dicht vor der Entschlüsselung der letzten und wichtigsten Geheimnisse der Linguiden.
Und du erzählst mir etwas von Essen, Trinken und Politik!"
„Ich weiß nicht, was du willst." Die Linguidin blieb kühl. „Es gibt keine letzten Geheimnisse unseres Volkes. Also interessieren mich deine Phantastereien herzlich wenig."
„Es liegt mir fern, dich zu beleidigen", knurrte Sando Genard. „Aber es geht nicht anders. Du bist eine Ignorantin, ein primitiver Geist, der nichts versteht."
„Deine Beleidigungen treffen mich nicht."
Sie holte eine Karaffe mit Fruchtsaft aus einem Schrank und stellte sie zusammen mit zwei Gläsern auf den Tisch, dabei beobachtete sie ihn, wie er unruhig auf und ab ging. Die Hände hielt er dabei auf dem Rücken gefaltet. „Also gut." Sein Tonfall wurde etwas freundlicher. „Auch wenn du mir nicht glauben willst, ich bitte dich um ein sachliches Gespräch."
„Einverstanden." Sie setzte sich an den Tisch und füllte die beiden Gläser. „Willkommen im eigenen Heim, Sando."
„Ja, natürlich." Jetzt wirkte er plötzlich etwas zerfahren. „Ich habe es versäumt, dich zu begrüßen. Verzeih mir, aber meine Entdeckung hat mich durcheinandergebracht."
Er hockte sich zu ihr. „Du sagtest", sprach er, „daß es keine letzten Geheimnisse unseres Volkes gibt? Du irrst dich, meine Liebe!
Das Geheimnis der Linguiden verbirgt sich hinter dem, was wir Kima nennen."
„Aha!" machte sie. „Aus dir spricht wieder einmal der Kima-Forscher."
„Im Kima liegt das entscheidende Geheimnis unseres Volkes. Allein diese Tatsache verlangt, daß die Frage geklärt wird. Auch wenn ein so einfacher Geist wie du davon nichts wissen will."
„Wo bitte", spöttelte Boota Bugenete, „soll da ein Geheimnis liegen?"
„Kannst du mir sagen, was das Kima ist?"
„Natürlich, Sando. Es ist die einfachste Sache auf der Welt."
Sie stand auf und ging zum Fenster. Dort zog sie den Store etwas zur Seite. Ein etwa vierzig Zentimeter hoher Strauch, der aus einem einzigen dicken Stamm mit mehreren Ästen bestand, wurde sichtbar. Die Pflanze steckte in einem Porzellantopf. Sie trug keine Blüten, und ihre Blätter waren dunkelgrün und mit silbernen Fasern durchsetzt. „Das ist mein Kimastrauch", sagte sie schlicht und drehte den Topf ein wenig im Kreis. „Zugegeben, er ist nicht besonders stattlich. Er ist gesund, auch wenn er seit Jahren nicht mehr wächst. Auch hat er noch nie geblüht, wie das bei anderen Kimasträuchern der Fall ist. Aber das stört mich nicht. Ich bin mit ihm zufrieden.
Und er mit mir."
„Er spiegelt dich wider", brummte Sando Genard. „Du bist nun einmal ein simpler Geist."
„Natürlich", sagte sie, ohne auf die neuerliche Kränkung einzugehen. „Meine Eltern haben ihn gepflanzt, als ich geboren wurde. Es gibt etwas Unsichtbares, das uns beide verbindet. Vielleicht ist es eine Art von geistiger Symbiose. Oder etwas Ähnliches. Es gibt mir Kraft und Stabilität. Diese Bindung zwischen dem Strauch und mir, das ist das Kima!"
„Du machst es dir verdammt einfach." Der Linguide schüttelte unwillig den Kopf. „Du erklärst nichts. Du beschreibst etwas, das du selbst nicht verstehst. Du nimmst einfach alles als gegeben hin. Das ist unwissenschaftlich, oberflächlich und falsch."
„Sagst du! Auch wenn dein Strauch größer ist als meiner, so kannst du daraus nicht herleiten, daß auch deine Phantastereien richtiger sind als meine klar umrissenen Vorstellungen von der Realität."
Sie war einen halben Kopf kleiner als er, aber wesentlich kräftiger gebaut. Ihre langen Kopfhaare hatte sie in allen denkbaren Farben getönt und zu vier Zöpfen geflochten, von denen zwei auf der Brust und zwei auf dem Rücken herabbaumelten. Daß auch sie schon über fünfzig Jahre zählte, war nicht auf den ersten Blick zu erkennen. „Deine Gedanken bewegen sich nur an der Oberfläche der Realität, liebe Boota", behauptete er unwillig. „Wahrscheinlich kannst du nichts dafür, daß du die tieferen Zusammenhänge nicht einmal erahnst. Es ergeht ja den meisten Linguiden so. Sieh dir nur die vielen anderen Völker der Milchstraße an! Nirgends gibt es etwas Vergleichbares zum Kima. Kein anderes intelligentes Lebewesen besitzt eine solche Assoziation zu einem Pflanzenwesen."
„Ich finde diese Einmaligkeit nicht übel", unterbrach sie ihn lächelnd.
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