1582 - Das Kimalog
wurden nur noch Pilgerszenen geboten. Sonst tat sich in dieser Nacht nichts.
Interessanter wurde es erst wieder, als die Sonne ihre ersten Morgenstrahlen über den Horizont schickte und den Gipfel in ein rotgoldenes Licht hüllte. Die Kameras tasteten sich an Balasar Imkord heran, wie er mit geschlossenen Augen vor der kleinen Senke am Gipfel des Berges ausharrte.
Irgendwann schlug er die Augen auf und lenkte seinen Blick auf etwas in der felsigen Mulde.
Und dann sprach der Friedensstifter zum erstenmal während dieses Pilgermarsches, und während er sprach, schwenkte die Kamera langsam auf die Mulde. „Seht, Linguiden!" sagte Balasar Imkord salbungsvoll. „Seht mit mir das Wunder des Wachstums und der Erhöhung! Hier zeige ich euch meinen Kimastrauch in unglaublicher Pracht. So, wie er in wenigen Monaten doppelte Größe erreicht hat, ist auch mein Kima gewachsen. Seine Größe ist nicht nur Beweis für das Wachstum meines Kimas, er ist gleichzeitig auch Symbol für die Entwicklung eines ganzen Volkes in schwindelerregende geistige Höhen. Ihr alle wachst mit den Kimasträuchern eurer Friedensstifter.
Ihr seid Auserwählte, dazu bestimmt, den Kosmos neu zu ordnen. Kommt und bestaunt mit mir das Wunder des Lebens!"
Die Inszenierung war perfekt. Während die Worte des Friedensstifters klar und deutlich die Szenerie eines neuen Morgens untermalten, kam der Kimastrauch voll ins Bild. Der Strauch war zu einem vier Meter hohen Baum gewachsen. Zu einem Baum mit einer dichten Blütenkrone. In einer Felsmulde mit karger Krume - einer Insel des Lebens in lebensfeindlicher Umgebung. „Kommt und seht! Kommt und staunt!"
Während des Sprechens winkte Balasar Imkord die Pilger, die ihn auf den Gipfel des Berges mit seinem Kimastrauch begleitet hatten, mit beiden Händen zu sich heran. Er wiederholte immer wieder dieselbe Litanei mit salbungsvoller Stimme. Und er blickte in die fliegenden Robotkameras, die ihn umschwärmten wie seltsame Vögel, und winkte auch sie zu sich und seinem Kimastrauch. „Kommt und seht das Wunder! Alles Volk soll an diesem Wunder teilhaben. Kommt näher!"
Die Robotkameras kamen der Aufforderung nach und hielten den zum Baum gewachsenen Kimastrauch in allen Details und von allen Seiten fest. Und die Pilger zogen staunend an dem auf wundersame Weise gewachsenen Kimastrauch vorbei.
Es dauerte den ganzen Tag und die folgende Nacht und bis Mittag des nächsten Tages, bis der letzte Linguide Balasar Imkords Kimastrauch passiert hatte.
Bei diesem handelte es sich um einen alten, gebeugt gehenden Mann mit schütterem, farblosem Körperflaum.
Balasar Imkord schloß zu ihm auf, legte ihm die Hand auf die Schulter und lächelte ihn warm an.
Man konnte förmlich sehen, wie dem alten Linguiden das Herz aufging. Er nickte dem Friedensstifter ergriffen zu und drückte dessen Hand. „Was für ein kitschiges Spektakel", sagte Marfin Kinnor zu Gensech Timol und schüttelte sich angewidert. „Haben die Friedensstifter so etwas nötig?"
Roi Danton kam gerade in die Kommandozentrale zurück, als der Zweite Pilot dies sagte. Er hatte sich zwischendurch zweimal für kurze Ruhepausen in seine Kabine zurückgezogen. „Mich wundert viel mehr an dieser Schau, daß sie sich aus purer Effekthascherei derart vermarkten", meinte er. „Früher waren den Friedensstiftern ihre Intimsphäre und ihre Kimasträucher heilig. Sie haben sie vor den Blicken anderer geschützt und eifersüchtig behütet. Eine solche Massenveranstaltung wäre undenkbar gewesen.
Daß diese auch noch über den ganzen Planeten ausgestrahlt wird, macht die Sache auch nicht schlimmer. Das ist der Ausverkauf der linguidischen Kultur."
Einen Tag später, nachdem in langatmigen Bildern die Rückkehr des Friedensstifters in sein Heim gezeigt worden war, meldete sich Cebu Jandavari über Interkom. „Hast du meinen Rat befolgt, Roi?" fragte der Albino mit erwartungsvollem Blick in den roten Augen. „Hast du dir Balasar Imkords Pilgergang angesehen? Ja? Was hast du dabei gefühlt?"
Roi Danton atmete hörbar ein, dann sagte er: „Ich glaube, ich habe etwas von der Glorie gespürt, die Balasar Imkord ebenso wie dich und die anderen Friedensstifter umgibt. Es ist, als hätte sich etwas von dem Kima, das euch so einmalig macht, auf mich übertragen."
„Ja", sagte Cebu Jandavari. „Ja, wie recht du hast."
Dann gab sie Roi Danton Landeerlaubnis.
5.
1148-1171 NGZ Adonor litt sehr unter der Ablehnung des Meisters Farbar Rosanam.
Seine erste
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