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1582 - Das Kimalog

Titel: 1582 - Das Kimalog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Reaktion war, ihn der Unfähigkeit zu zeihen. Der Meister erkannte sein Talent nicht.
    Der Meister konnte einfach nicht sehen, was in ihm steckte. Wie gerne hätte Adonor ihm einen Blick in seinen Kopf gewährt, um ihm die Vielfalt der dort enthaltenen Bilder zu zeigen. Der Meister war einfach unfähig!
    In der Tat handelte es sich bei Farbar Rosanam um einen unbedeutenden Friedensstifter. Er hatte keine großen Verdienste um sein Volk vorzuweisen. Farbar Rosanam schlichtete mal hier einen kleinen Streit und fällte ein andermal dort ein Urteil, das keine weiteren Konsequenzen nach sich zog; weder im Positiven noch im Negativen. Hätte er nicht eingegriffen, es hätte sich im Grunde wohl nichts geändert.
    Ja, gewiß, Meister Rosanam war der unfähigste lebende Friedensstifter. Und Adonor war sich in der ersten Enttäuschung ganz sicher, daß er ihn nur deswegen verstoßen hatte, weil er die Antwort auf eine ganz einfache Frage nicht geben konnte.
    Was ist das Kima?
    Aber mit der Zeit erkannte Adonor, daß die Verweigerung der Antwort nicht an der Unfähigkeit des Meisters Rosanam lag. Es war offenbar so, daß niemand eine befriedigende Antwort geben konnte. Wen Adonor auch fragte, niemand schien die Antwort zu kennen.
    Die Frage begann in ihm zu nagen.
    Jeder Linguide besaß ein Kima. Wieso kam es, daß dieses unerklärliche Etwas den einen zum Friedensstifter machte und dem anderen die Fähigkeit, die Sprache als machtvolles Instrument einzusetzen, nicht gegeben war?
    Was seine Mutter Zyna betraf, da kam er leicht klar. Sie war eine einfache Person und schon darum nicht in der Lage, ihr Kima zu schulen. Oder aber sie hatte ein schwaches Kima und war darum ein einfaches Wesen.
    Auch sein Vater lieferte ihm ein leicht deutbares Bild. Er war so engstirnig und eitel, daß auch sein Kima, und wäre es noch so ausgeprägt, ihm nicht zur Weitsicht und Toleranz verhelfen konnte. Oder er hatte diese seine negativen Eigenschaften so sehr gepflegt, daß sein Kima darüber verkümmern mußte.
    Aber was war mit jenen, die über eine überragende Intelligenz, einen ausgeprägten Intellekt und ungewöhnliche Fähigkeiten verfügten? Sie mußten wohl auch ein starkes Kima besitzen. Und wenn zwei über ein gleich stark ausgeprägtes Kima verfügten, wieso eignete sich der eine zum Friedensstifter, während dem anderen nie die passenden Worte in den Sinn kommen wollten?
    Adonor hatte während des einmonatigen Aufenthalts auf Rosanams LEI-ANA erkannt, daß er den meisten Schülern geistig überlegen war. Vielleicht wäre es richtiger zu sagen, daß sie nicht in der Lage waren, seinen Gedankengängen zu folgen. Aber kam es nicht auf dasselbe hinaus?
    Wie auch immer, Adonor hatte sich ihnen überlegen gefühlt, nicht aus Überheblichkeit, sondern weil er ihnen in fast allen Belangen auch wirklich überlegen war. Nur in einem Punkt nicht. Nicht in der Redegewandtheit.
    Das lief wiederum auf die Frage hinaus, wieso ihnen ihr Kima erlaubte, die richtigen Worte und die genauen Nuancen in der Betonung zu finden, während er, obwohl ihnen überlegen, unfähig war, die Sprache wirkungsvoll zu benutzen.
    Er hatte die treffenden Bilder im Kopf, nur fehlten ihm die dazugehörigen Worte.
    Woher kam das? Woran lag es?
    Er fand eine Antwort, nur befriedigte ihn diese nicht.
    Er konnte auf eine schwere Kindheit zurückblicken. Sein Geburtsfehler hatte ihn in der Entwicklung gehemmt.
    Wegen seines gespaltenen Gaumens hatte er Schwierigkeiten gehabt, sich zu artikulieren und die Sprache als wirkungsvolles Instrument zu nutzen.
    Das klang so richtig und plausibel wie irgendeines der Naturgesetze.
    Aber Adonor wollte das nur zum Teil gelten lassen. Er suchte ja nicht wirklich nach Ausreden dafür, daß ihn Meister Rosanam gefeuert hatte. Er wollte herausfinden, was es war, woran er letztlich gescheitert war, und was er hätte tun können - oder noch tun könnte -, um diese Hürde zu nehmen.
    Wie konnte man sein Kima schulen, wie es beeinflussen, um es in eine ganz bestimmte Richtung zu lenken?
    Wie konnte man lernen, die Sprache wie ein Friedensstifter zur gesteuerten Beeinflussung anderer zu gebrauchen?
    Das mündete jedoch wieder in die Ausgangssituation zurück. Zur Frage, was das Kima sei und wie man es erklären konnte. Nur wenn man dieses Wissen besaß, wurde man das Kima auch entsprechend beeinflussen können.
    Aber es schien keine Antwort darauf zu geben.
    Adonor drohte an dieser Frage zu zerbrechen.
    Er litt vier Jahre lang unter diesem seinem

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