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1582 - Das Kimalog

Titel: 1582 - Das Kimalog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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sicher, daß hier ein ganz großer Geist heranwuchs.
    Molin verkraftete diesen Schicksalsschlag nicht so leicht. Gewiß, er liebte Adonor um nichts weniger als Zyna, aber die Hoffnung, daß sein Sohn einmal als Friedensstifter in die Geschichte eingehen würde, mußte er aufgeben. Selbst wenn die Operation, mit der seine Mundscharte geschlossen werden sollte, ohne Komplikationen verlief, so würde er die verlorenen Jahre nie aufholen können, und es würde ihm darum versagt bleiben, sein Kima voll einzusetzen und die Macht des Wortes zu handhaben.
    Dabei war Adonor ein aufgewecktes Jüngelchen; Molin fand sogar, daß er seinen Altersgenossen immer um einen Schritt voraus war. Aber er konnte sich nicht artikulieren. Er hatte die Bilder gewiß im Kopf, aber es blieb ihm in jungen Jahren, dem wichtigsten Lebensabschnitt in der Entwicklung eines Kindes, versagt, seine Vorstellungen umzusetzen. Adonor fehlte die Möglichkeit, sich auszudrücken.
    Er hatte Bilder, aber keine Worte.
    Adonor beherrschte den richtigen Umgang mit Formen und Farben viel früher als seine Altersgenossen. Er konnte die kompliziertesten Formen schon bald den adäquaten Gegenstücken zuordnen, während Gleichaltrige und Ältere tolpatschig drauflosprobierten. Aber während sie in der Lage waren, ein Sechseck als solches zu benennen, hatte Adonor Schwierigkeiten, wenigstens ein halbwegs verständliches „Chechek" durch die gespaltene Oberlippe zu bringen.
    Adonors Aussprache besserte sich mit zwei Jahren, als ihm eine künstliche Gaumenplatte eingesetzt wurde.
    Aber zu diesem Zeitpunkt hatte er längst gelernt, sich auf andere Weise als durch Sprache auszudrücken.
    Vielleicht waren, was seine Entwicklung betraf, seine Intelligenz und sein starkes Kima sogar ein Fluch.
    Jedenfalls redete er immer weniger und ließ Symbole für sich sprechen.
    Er baute mit einfachsten Mitteln Gebilde, die auf den ersten Blick, bei aller Naivität und kindlichen Ausführung, unglaublich kompliziert erschienen. Kompliziert in der Weise, daß man Adonors verschlungenen Gedankenpfaden folgen mußte, um den Schlüssel seines Kodes zu finden.
    Seine Gebilde waren zuerst einmal plump wirkende Formen aus Lehm, eingebettet in übereinandergeschichtete und scheinbar durcheinandergewürfelte Bausteine und ähnlichen Kinderkram, versetzt mit Pflanzen und Abfallprodukten des Alltags.
    Mit seinen Eltern und anderen Erwachsenen hatte er keine Schwierigkeiten, sie seinen Gedankengängen folgen zu lassen.
    Bei anderen Kindern, auch älteren, war dies nicht so einfach. Sie konnten mit seiner Symbolik nichts anfangen, und darum blieb ihm der Zugang zu Gleichaltrigen verschlossen. So gesehen, hatte Adonor keine richtige Kindheit. Er wurde gleich in die Welt der Erwachsenen geboren.
    Dies zeigte sich besonders an einem Beispiel.
    So baute er seinen Lebensbereich auf, seine Welt: Die Lehmklumpen waren Molin und Zyna, er selbst und alle Menschen seiner Welt, die er kannte. Kinder spielten darin keine Rolle, und in seinem Modell gab es dafür auch keine Figuren; er hörte sie wohl, aber sie waren für ihn unerreichbar und darum unsichtbar.
    Die Bauklötze stellten ihr, der Cyrfants, Haus und die Häuser der Nachbarn dar, Abfallprodukte und Gebrauchsgegenstände waren ihren Besitzern zugeordnet.
    Mit dem rechten Blick und wenn man Adonor folgen wollte, konnte man darin mühelos das Modell seiner Welt sehen. Und wenn man soweit war, dann erkannte man in den drei in den Boden gesteckten Blumen die drei Kimasträucher der Cyrfants. Adonor bildete mit den drei Lehmklumpen einen Reigen um die Blumen und zeigte sich überglücklich, als seine Mutter ihn gerührt küßte.
    Am nächsten Tag waren die drei Blumen verwelkt. Adonor wurde daraufhin fiebrig, und es bedurfte viel guten Zuredens durch seine Mutter, ihn davon zu überzeugen, daß die Blumen nur deswegen abgestorben waren, weil er sie mit den Stengeln in den Boden gesteckt hatte. „Pflanzen sind Lebewesen", erklärte sie ihm. „Wenn du ein Leben knickst, dann vergeht es."
    Sie zeigte ihm, wie es ging, und als Adonor erkannte, daß Blumen an anderen Orten weiterleben konnten, wenn man sie mitsamt den Wurzeln verpflanzte, hatte er seine bis dahin wichtigste Lektion über Leben und Werden und den Tod erhalten. Er merkte sie sich.
    Kurz darauf erhielt er eine andere Lektion.
    Adonor hatte eine Spielgefährtin, eine richtige Plaudertasche mit Namen Soira. Da es ihm trotz der Gaumenplatte schwerfiel, das „s" ungelispelt und das „r"

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