1582 - Herr der Unterwelt
die flüchtende Frau.
Die Entfernung schmolz immer mehr zusammen. Die Einmündung rückte zwar näher, aber sie befand sich noch rechts von ihr, und sie würde das Lenkrad stark drehen müssen, was auch wieder Zeit kostete.
Etwas prallte gegen die linke Wagenseite. Wie ein monströser Riesenvogel kam ihr der Unheimliche vor. Aber er hatte seine Kräfte überschätzt, denn er wurde von dem fahrenden Auto zur Seite geschleudert.
Aus den Augenwinkeln bekam Grace mit, dass er seine Arme in die Höhe riss. Dann war er weg, landete auf dem Boden, und hätte er vor ihr gelegen, sie wäre ohne zu zögern über ihn hinweggerollt.
So aber musste sie in den schmalen Weg einbiegen. Sie drehte das Steuer so stark wie möglich nach rechts, rasierte an den Hindernissen an der linken Seite entlang. Zweige schlugen wie zuckende Arme gegen die Karosserie, was Grace egal war. Sie wollte nur weg und hatte das Glück, dass sich an den Seiten des Weges keine Gräben befanden, in die sie mit den Rädern geraten konnte.
Sie fuhr.
Sie gab Gas.
Sie lachte und weinte zugleich. Sie wischte über ihre Augen, um den Schleier zu entfernen. Das Herz klopfte wie verrückt, als wollte es durch seine Schläge ihre Brust sprengen, um in die Freiheit zu gelangen.
Die Flucht war ein Wahnsinn. Aber es gab keinen anderen Weg. Ihr normales Denken war ausgeschaltet. Es ging einfach nur weiter. Es ging allerdings auch bergab, was dazu verleitete, zu schnell zu fahren.
Die vor ihr liegende Kurve war nicht mal besonders eng, aber ein Fahrer musste schon achtgeben, wenn er auf dem rutschigen Boden in sie hinein fuhr.
Genau das hatte die Flüchtende vergessen. Sie glaubte, dass sie sich schon in Sicherheit befand.
Mit dem Heck rutschte der Mini weg. Zwar lenkte Grace gegen. Der Erfolg blieb jedoch aus. Sie schaffte es nicht mehr, den Wagen wieder auf den normalen Weg zurückzulenken. Er rutschte an der anderen Wegseite in die Büsche.
Der Vorfall lähmte Grace sekundenlang. Wenn sie nach vorn schaute, sah sie nur wippende Zweige vor sich. Und es verging wiederum Zeit, bis ihr klar wurde, dass sie zuerst zurücksetzen musste, um wieder auf den Weg zu gelangen.
Der Rückwärtsgang. Sie rührte einige Male im Getriebe herum, dann hatte sie es geschafft. Jedenfalls fuhr der Wagen wieder, und sie musste ihn nur noch in die richtige Richtung lenken.
Aus Fehlern kann man lernen, und sie hatte daraus gelernt. Auf keinen Fall durfte sie mehr zu schnell fahren, um nicht Gefahr zu laufen, noch mal im Buschwerk zu landen.
Sie warf einen Blick in den Innenspiegel. Was sie sah, ließ sie schreien.
Er hatte nicht aufgegeben!
Die schreckliche Gestalt mit dem Totengesicht befand sich schon dicht hinter ihr. Sie rannte mit weiten Sprüngen auf den Mini zu.
Grace gab Gas.
Sie kam auch weg.
Genau in dem Augenblick prallte der Verfolger gegen das Heck.
Normalerweise hätte er dabei zur Seite gestoßen werden müssen.
Doch er hatte sich so viel Schwung gegeben, dass er es schaffte, auf das Autodach zu gelangen. Er breitete die Arme aus, um an den Seiten Halt zu finden.
Das sah Grace nicht. Sie hatte den Tunnelblick bekommen. Sie dachte nur noch an Flucht, auch wenn diese Gestalt auf dem Autodach lag.
Wenn sie hätte schneller fahren können, wäre es wohl kein Problem gewesen, ihn loszuwerden.
Das klappte in diesem Gelände nicht, und so würde es der unheimliche Irre wohl schaffen, weiterhin auf dem Dach zu bleiben.
Er rutschte sogar noch ein Stück nach vorn, senkte den Kopf und schaute von oben herab durch die Scheibe, wobei sich die Lippen in seinem Totengesicht zu einem teuflischen Grinsen verzogen.
Diesmal hatte Grace Glück. Der Schreck traf sie nicht so stark, als dass sie das Steuer verrissen hätte.
Sie wusste nur eines. Sie musste so schnell wie möglich die Straße erreichen. Was dort geschehen würde, wusste sie nicht, aber es war ihre einzige Chance…
***
Das Gespräch mit Grace Terry war völlig normal und harmlos gewesen.
Dennoch traute Jack Clinton dieser Frau nicht über den Weg.
Den Grund konnte er selbst nicht sagen, es war einfach ein Bauchgefühl und das hatte ihn selten getrogen.
Was tun?
Okay, sie hatte sich normal verhalten, wenn er an ihren Beruf dachte.
Aber das musste nicht unbedingt stimmen. Sie kam ihm vor, als wäre sie aus einem bestimmten Grund in den Ort gekommen, den sie aber für sich behielt.
Er wollte sich schon abwenden und in sein Büro gehen, als er Mrs. Hamilton sah, die ihr Haus verließ. Er winkte die
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