1589 - Der steinerne Templer
das gelesen.«
»Ja, in den alten Unterlagen.«
»Super. Darf ich fragen, wie Sie an diese Unterlagen herangekommen sind? Oder ist das ein Geheimnis?«
»Nein, das ist es nicht. Ich habe mich in alten Archiven umgesehen. Ich war in der Bibliothek der Sorbonne, da bin ich fündig geworden. Aber auch in den Familienchroniken einiger adliger Familien. Jedenfalls hat mich die Sache fasziniert, und jetzt sind Sie hier, was ich sehr begrüße.«
»Ja«, murmelte ich, »aber da ist noch etwas, was ich gern gewusst hätte. Wie kann man die Stelle finden oder den Ort, an dem der verruchte Templer verflucht wurde?«
»Unter der Erde, Monsieur Sinclair.«
Jetzt meldete sich auch wieder der Kommissar.
»Das ist doch keine Antwort. Können Sie nicht genauer werden?«
»Ja, das kann ich schon. Ich bin mir nur nicht sicher über den genauen Ort.«
»Wir hören Ihnen trotzdem gern zu«, sagte ich.
»Sie kennen die Ile de la Cite?«
Ich musste lachen. »Und ob ich die kenne. Sie ist nicht nur wegen der Kirche Notre Dame berühmt, dort wurde im Jahr 1314 auch der letzte Großmeister der Templer verbrannt.«
»Stimmt genau.«
»Und da finden wir den Ort?«, fragte Voltaire.
Jetzt zuckte unser Informant mit den Schultern.
»Wenn das so einfach wäre. Der Ort, an dem sich das Grab befindet, muss tief unter der Erde liegen. Wo genau, das kann ich nicht sagen. Da haben mir die Unterlagen keine genauen Auskünfte geben können.«
»Auch nicht ungefähr?«
Er schaute mich an. Auf seinem pausbäckigen Gesicht hatte sich eine Gänsehaut gebildet.
»Unter der Kirche«, flüsterte er. »Noch tiefer als die Krypten. Dort soll es einen Raum geben, in dem dieser verfluchte Templer begraben worden ist. Mehr weiß ich wirklich nicht.«
Der Kommissar nickte.
»Könnte zumindest historisch der Wahrheit entsprechen«, murmelte er.
Der Meinung war ich auch und wandte sich wieder an den Historiker.
»Haben Sie denn nie nachgeforscht?«
Er trank seine Tasse leer. Dabei runzelte er die Stirn.
»Doch, das habe ich. Jedenfalls habe ich es versucht, aber keinen Erfolg gehabt. Der Zugang muss versteckt liegen.«
»Könnte man ihn durch die Kirche erreichen?«
»Das, Monsieur Sinclair, kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen.«
»Haben Sie denn nicht wenigstens irgendwo die Andeutung eines Hinweises gefunden?«
»Ja.« Seine Antwort hörte sich an wie ein Knurren.
»Und dabei ist nichts herausgekommen?«
Vidal hob die Schultern.
»Fast nichts. Ich habe mir einiges zusammengereimt, als es mir gelang, die alten Baupläne der Kirche einzusehen. Sie sind noch teilweise vorhanden, wenn auch fotokopiert. Ich habe keinen Zugang gefunden. Es wäre auch ein Wunder gewesen, denn es gibt eine Menge Leute, die die Kirche besser kennen als ich. Ich bin dann eben auf die Kanalisation gekommen. Es kann sein, dass es von dort einen Zugang zu diesem Verlies gibt, das sehr tief liegen soll. Wobei das noch immer nicht der Beweis ist, dass wir Armand de Valois dort unten auch finden. Es sind nur Spekulationen.«
»Aber besser als nichts«, sagte ich und wandte mich an den Kommissar.
»Was ist deine Meinung?«
Er musste zunächst mal Luft holen.
»Nicht schlecht«, gab er zu. »Das ist zumindest eine Möglichkeit.«
»Die wir nicht aus den Augen lassen sollten«, fügte ich hinzu.
»Ja, ja, John, aber wir brauchen Pläne von der Pariser Unterwelt. Zumindest die von der Insel.«
»Kannst du sie beschaffen?«
»Das denke ich schon.« Er schaute Vidal an. »Sie haben einen Laptop. Die Unterlagen könnte man Ihnen als Mail schicken, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Nein, auf keinen Fall.«
Ich klatschte in die Hände und sagte: »Dann sollten wir nicht mehr länger warten, denn eine innere Stimme sagt mir, dass die Zeit drängt…«
***
Kommissar Voltaire bewies, dass er der richtige Mann war.
Wenige Fragen an den Historiker reichten aus, um bestimmte Wissenslücken zu füllen, danach nahm er die Dinge in die Hand.
Er telefonierte in unserem Beisein mit verschiedenen Stellen.
Wir ließen ihn in Ruhe und stellten keine weiteren Fragen.
Maurice Vidal machte auf mich einen recht erschöpften Eindruck. Die Ereignisse hatten ihn ziemlich mitgenommen. Sein Blick kam mir unstet vor, und es schien mir, als würde er ständig sein eigenes Arbeitszimmer absuchen.
Wahrscheinlich gingen ihm die unheimlichen Besucher nicht aus dem Kopf.
Ich hatte Verständnis für ihn. Wer zum ersten Mal mit einem derartigen Vorgang konfrontiert wurde, der
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