1589 - Der steinerne Templer
blitzten. »Ich möchte dabei sein. Ich will auf keinen Fall allein hier zurückbleiben.«
»Wie Sie wollen«, sagte ich.
Vidal war noch nicht fertig. »Es ist auch für mich als Historiker von Bedeutung, dass ich mal von der Theorie in die Praxis wechsele. Das muss ich einfach tun. Ich käme mir sonst wie ein Versager vor.«
Der Kommissar fragte: »Und was ist mit Ihren Verfolgern?«
Die Antwort kam dem Historiker glatt über die Lippen. »Keine Sorge, ich habe sie nicht vergessen. Aber ich bin ja jetzt nicht mehr allein. Und nur das zählt für mich. Ich habe Monsieur Sinclair bereits einmal in Aktion erlebt und setze darauf, dass er nichts verlernt hat.«
»Da hast du es«, sagte Voltaire und nickte mir zu.
Ich winkte ab. »Ist schon klar.«
»Was willst du mehr, John?« Den Optimismus meines Kollegen teilte ich leider nicht.
Zwar sah alles glatt aus, aber bei Dingen wie diesen konnte so einiges schiefgehen, das wusste ich aus langjähriger Erfahrung.
Ich wunderte mich darüber, dass Armand de Valois mich schon so lange in Ruhe gelassen hatte. Wenn ich ehrlich mir selbst gegenüber war, dann hätte ich gern gehabt, dass sich der Templer wieder bei mir meldete. Ich ging davon aus, dass er über unsere Aktivitäten Bescheid wusste, weil er uns möglicherweise aus dem für uns Unsichtbaren heraus unter Kontrolle hielt. Oder aber seine Engel des Bösen vorgeschickt hatte.
»Ich ziehe mich noch um«, sagte Vidal.
Voltaire grinste ihn an. »Aber beeilen Sie sich.«
»Keine Sorge, Kommissar, ich bin keine Frau. Bei mir geht das sehr schnell.«
»Okay, wir warten.«
Der Kommissar und ich blieben zurück im Arbeitszimmer.
Zwischen uns entstand eine Schweigepause. Es waren die Momente, in denen jeder seinen Gedanken nachhing.
Ich stand mal wieder im Mittelpunkt. Da hatte mich die Vergangenheit eingeholt, und zwar von einer Seite, mit der ich nicht gerechnet hatte.
Aber es war nun mal mein Schicksal, mit einer Vergangenheit zu leben, die alles andere als normal war.
Schon öfter war ich mit demjenigen konfrontiert worden, der von mir der Träger des Kreuzes gewesen war, das nach seinem Ableben die verschiedensten Wege gegangen war, bis hin zu einer alten Frau namens Vera Monössy, von der ich es letztendlich erhalten hatte.
Ich sah, dass mich Voltaire etwas fragen wollte, doch innerhalb einer Sekunde war er für mich uninteressant geworden, denn ich verspürte auf meiner Brust eine Reaktion meines Kreuzes, die mich völlig überraschte und mich leicht aus der Bahn warf.
Da es sich meldete, musste ich davon ausgehen, dass sich jemand in meiner Nähe befand, der nicht eben zu meinen Freunden zählte. Gefahr!
Voltaire hatte es ebenfalls gesehen. Er reagierte auf mein starres Verhalten mit weit geöffneten Augen.
»Was ist los mit dir, John?«
Ich hob die Schultern.
»Ich will mich nicht direkt festlegen, aber ich glaube, dass wir nicht mehr allein sind. Die andere Seite scheint Lunte gerochen zu haben.«
»Und das bedeutet?«
Gedankenblitze schössen mir plötzlich durch den Kopf.
Wir waren nicht mehr allein, aber es war kein Angreifer zu sehen, und das bereitete mir Sorgen.
Nicht Voltaire und ich waren in Gefahr!
Es gab noch eine dritte Person.
Vidal!, schoss es mir durch den Kopf. Und einen Moment später war ich bereits unterwegs.
Den kurzen Weg bis zum Schlafzimmer legte ich in Rekordzeit zurück.
Ich zögerte auch keine Sekunde, die Tür aufzureißen, sodass ich freie Sicht hatte.
Ich hatte mich nicht getäuscht.
Sie waren da, und sie hatten sich Maurice Vidal vorgenommen…
***
Der Historiker lag auf dem Bett. Er lag auf dem Rücken, und seine verkrampfte Haltung deutete darauf hin, dass ihn jemand dorthin geschleudert hatte.
Da er sich nicht bewegte, wusste ich nicht, was mit ihm geschehen war.
Dann sah ich das Blut, das sich auf dem Bett ausgebreitet hatte.
Ich schenkte dem regungslos daliegenden Vidal nur einen kurzen Blick, denn die beiden Engel des Bösen, die ihn erwischt hatten, waren dabei, ihm den Rest zu geben.
Ich sah die schmalen Stichwaffen in ihren Händen. Blitzende Schwerter, die geschwungen wurden, um Vidal das Leben zu nehmen.
Mein Schrei hallte durch das Zimmer.
Die beiden Gestalten fuhren herum. Ihre Gesichter waren nicht genau zu erkennen. Für mich sahen sie in der Eile aus wie schwarze Flecken, und ich musste mit einem Angriff rechnen.
Das Kreuz steckte in meiner Tasche. Ob das richtig war oder nicht, wusste ich nicht. Schneller kam ich an meine Beretta
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