1596 - Dämonengold
goldene Frau aufgesucht haben könnte?«
»Scheiße!«, schrie der zweite Knabe und stampfte wütend mit dem rechten Fuß auf. An seinem Kinn klebten ein paar dünne schwarze Haare. »Ich weiß überhaupt nicht, ob es eine goldene Frau gibt.« Er stieß Bernie an. »Da hat sich deine dämliche Schwester bestimmt geirrt.«
»Hat sie nicht. Außerdem ist sie nicht dämlich.«
Ich wollte nicht, dass es hier noch Streit gab.
»Schluss jetzt. Ich will von euch nur wissen, wo wir Ricky Waiden finden können. Ihr kennt ihn doch - oder?«
»Klar«, sagte Bernie. »Und wo finden wir ihn?«
»Nicht hier. Außerhalb. Der wohnt allein in einem Holzhaus auf einem platten Hügel.«
»Und kann es sein, dass die goldene Frau in diese Richtung gegangen ist?« Bernie nickte.
»Wunderbar«, lobte ich ihn. »Dann braucht ihr uns nur noch den Weg zu ihm zu beschreiben.«
»He, was wollt ihr denn von ihm?«, fragte der Ziegenbart.
»Ihn nur besuchen.«
Die beiden überlegten nicht mehr lange. Sie nickten sich zu, und wir erhielten die Wegbeschreibung. Dann wurden wir noch gefragt, ob wir ihn als Fremdenführer engagieren wollten.
»Kann sein«, sagte ich.
»Können wir jetzt gehen?«, fragte Bernie.
»Ja. Aber hütet euch vor der goldenen Frau.«
Sie lachten beide. Es klang nicht eben fröhlich. Eine leichte Bedrückung blieb bei ihnen schon zurück.
Sie schoben die Maschine weiter die Straße hinab und verschwanden in einer Gasse.
»War das die Spur?«, fragte Suko.
»Kennst du eine bessere?«
»Nein.«
»Dann los…«
***
Ciaire Barkin stand im kleinen Bad vor dem Spiegel und schaute sich an.
Sie sah ihr goldenes Gesicht und fand sich schön.
Mittlerweile hatte sie sich an den Anblick gewöhnt. Zudem lag ein erstes Erfolgserlebnis hinter ihr.
Sie war zu ihrer Wirtin zurückgekehrt, um sich davon zu überzeugen, ob sie tatsächlich die Macht besaß, die aus einer alten Zeit stammte.
Ja, es war so gewesen.
Sie hatte es tatsächlich geschafft, diesen Fluch weiterzugeben.
Auch Mrs. Orwell war zu einer Göttin geworden, und das war erst der Anfang. Andere Menschen würden folgen, und so würde Friog bald von Göttern und Göttinnen bewohnt sein. Das Gold strahlte eine Magie aus, der sich niemand entziehen konnte.
Mittlerweile war das Vertrauen zwischen ihr und Ricky Waiden so groß geworden, dass Ricky sie zu seiner Höhle geführt hatte, um ihr den Schatz zu zeigen.
Sie war von dem strahlenden Glanz des Goldes überwältigt worden.
Aber sie hatte auch etwas anderes gespürt. Eine fremde Kraft, die über allem schwebte und nicht zu sehen war. Sie war die wahre Herrscherin des Goldes, und Ciaire wusste jetzt, dass sie sich auf sie verlassen konnte.
Sie genoss ihren Anblick im Spiegel so lange, bis hinter ihr die Tür geöffnet wurde und sie Ricky Waiden auftauchen sah. Sein goldenes Gesicht blieb ausdruckslos. Er blieb auf der Schwelle stehen und wartete.
Ciaire Barkin hatte sich so an ihrem Anblick erfreut, dass sie leicht ärgerlich reagierte, als sie den Mann sah.
»Was ist los?«
»Das wollte ich dich fragen.«
»Ich genieße meinen neuen Anblick.«
»Aber du bist im Ort gewesen.«
Sie nickte. »Sicher.«
»Willst du mir nicht erzählen, was dort passiert ist?«
»Das weißt du doch.«
»Und was hast du dieser Frau gesagt, nachdem du sie zu einer Göttin gemacht hast?«
»Dass sie für dich so etwas wie ein Wachtposten sein soll. Sie wird warten. Sie wird ihr Haus erst verlassen, wenn wir bei ihr eingetroffen sind. Dann können wir unseren Weg zu dritt fortsetzen. Ist das okay?«
Er grübelte noch, nickte und stellte trotzdem noch eine Frage.
»Hat dich eigentlich jemand gesehen?«
»Keine Ahnung. Mir ist jedenfalls nichts aufgefallen.«
»Gut. Dann lasse ich dich jetzt allein. Wenn ich zurück bin, werden wir uns gemeinsam auf den Weg machen.«
»Und wo willst du hin?«
Er grinste. »Ich will in meine Höhle. Ein wichtiger Abend liegt vor uns. Ich möchte noch mal die Kraft sammeln, die mir die alten Dämonen geben.«
Ciaire Barkin wusste, dass sie Ricky nicht aufhalten konnte.
»Und was soll ich inzwischen tun?«, fragte sie.
»Auf keinen Fall gehst du weg. Bleib hier im Haus, bis ich wieder zurück bin.«
»Gut.«
Er nickte ihr zu. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab, und so konnte Ciaire Barkin noch eine Weile ihr Spiegelbild bewundernd betrachten…
***
Auch wenn sich das Grau am Himmel allmählich verdichtete, verzichteten wir darauf, das Licht der Scheinwerfer
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