1597 - Die Köpferin
und er gab Laute von sich, die kaum zu beschreiben waren.
Die Frau war durch die Tür getreten. Ihr war niemand gefolgt. Auch ein Blick in das Vorzimmer brachte uns nicht weiter. Dort blieb alles still, und es war auch nichts zu sehen.
Trotzdem mussten wir davon ausgehen, dass diese Bestie noch nicht verschwunden war und sich bereit hielt.
Wir hätten uns eigentlich um Dahlia kümmern müssen, aber im Moment war Loretta wichtiger. Sie zu vernichten stand in der Reihenfolge ganz oben.
»Der Reihe nach«, sagte ich und unterbrach damit die Stille. Zugleich zog ich meine Beretta. Ich ging den ersten langen Schritt und setzte meinen rechten Fuß behutsam auf. Ich wollte jedes verräterische Geräusch vermeiden.
Blut lag auf dem Teppich. Eine Vase war umgekippt. Das Wasser war ausgelaufen, die Blumen lagen daneben. Ansonsten sahen wir nichts.
Es gab keine Loretta, und die Spannung in uns hätte eigentlich nachlassen müssen, was allerdings nicht der Fall war.
Wo steckte die Killerin?
So sehr wir unsere Köpfe drehten, wir sahen sie nicht. Das Büro war leer. Wenn es überhaupt eine Loretta gegeben hatte, dann nur als killender Geist.
Ich hörte Suko zischend atmen.
»Du siehst nichts, John, oder?«
»So ist es.«
»Hat sich Loretta in Luft aufgelöst?«
»Nein.«
»Oder doch?«, flüsterte Suko. »Denk mal an Glendas Fähigkeiten.«
Ich stöhnte leise. Genau daran wollte ich nicht erinnert werden. Es konnte einfach nicht sein, dass diese Loretta die gleichen Fähigkeiten besaß wie Glenda.
Mittlerweile hatte sich ein dünner Schweißfilm auf meiner Stirn gebildet.
Wohin wir auch schauten, nach rechts, nach links, sogar gegen die Decke, Loretta war nicht da.
Und auch mein Kreuz warnte mich nicht. Es kam mir vor, als hätte sich alles gegen uns verschworen.
Suko zog mit leiser Stimme ein Fazit: »Wir packen es nicht. Wir müssen aufgeben.«
»Und dann?«
»Braucht Dahlia einen Arzt.«
Als wäre dieser Satz ein. Stichwort gewesen, so hörten wir aus dem Nebenraum, dem eigentlichen Büro, einen grässlichen Schrei. Das war nicht Dahlia, die geschrien hatte. Es war ein Mann, und das konnte nur Dario Sikora gewesen sein.
Suko und ich fegten synchron herum.
Da die Tür nicht geschlossen war, sahen wir genau, was da passierte.
Und wir mussten erkennen, dass wir zu spät kommen würden.
Sie war da!
Die Köpferin schien aus der Luft gefallen zu sein und sie hatte ihre Waffe mitgebracht. Das Samuraischwert war bereits kampfbereit erhoben, und wir sahen, wie sie zuschlug.
Das Bild schien für uns stehen zu bleiben. Wir hörten sogar das Pfeifen, als die Klinge durch die Luft jagte. Und sie zielte auf den Hals eines Menschen, der bewegungslos auf dem Fleck stand, als wäre er eingefroren.
Dann erwischte es ihn vor unseren Augen.
Ich schrie auf. Es war das Erwachen aus der Starre. Ich jagte eine Silberkugel aus meiner Beretta in Richtung der Köpferin. Sie hätte treffen müssen, noch bevor Dario Sikoras Kopf zu Boden gefallen war.
Ich traf nicht, denn Loretta war wahnsinnig schnell. Sie huschte nicht mal zur Seite. Genau dort, wo sie stand, drehte sich ein wilder schwarzer Wirbel, der zu einer Wolke wurde, durch die meine Kugel jagte, davon zumindest ging ich aus.
Es war nicht einfach, meinen Freund und Kollegen Suko zum Staunen zu bringen. In diesem Fall traf es zu. Er hatte nichts getan und mir die Initiative überlassen. Normalerweise hätte die geweihte Silberkugel auch ausgereicht.
Nun waren wir beide nicht in der Lage, ein Wort zu sagen. Das plötzliche Verschwinden oder das Auflösen dieser Gestalt hatte uns die Sprache verschlagen.
Wenn ich einen zutreffenden Kommentar hätte geben sollen, wie ich mich fühlte, dann hätte nur ein Begriff gepasst. Ich fühlte mich einfach deprimiert, weil es einer anderen Macht gelungen war, uns die Grenzen aufzuzeigen. Die Köpferin war verschwunden. Direkt vor unseren Augen war sie abgetaucht. So etwas schaffte Glenda Perkins auch. Aber bei ihr war es trotzdem etwas anderes. Es gab bei ihr nicht die Begleitumstände, die wir bei Loretta erlebt hatten. Wenn ich mich recht erinnerte, war sie zu Staub geworden.
Und sie hatte ihr Ziel erreicht, obwohl wir in der Nähe gewesen waren.
Es gab einen Toten. Eine Leiche, deren Kopf ein Stück entfernt lag, weil er abgeschlagen worden war. Einfach so. Grausam und auch abgebrüht.
Suko kniete neben Dahlia. Er hatte bereits die Rettung angerufen. Die Kollegen der Spurensicherung würden auch erscheinen, auch wenn uns
Weitere Kostenlose Bücher