16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
du, Blume von Kilissely und Retterin unseres Lebens, soll dieser Diener Janik dein Mann werden, dem du stets zu gehorchen hast, so lange er nämlich verständig ist und keine Albernheiten von dir fordert?“
„Ja, er soll mein Mann sein“, sagte das Mädchen errötend.
„Nun, so soll unser Segen auf euch niederträufeln aus diesem Beutel des Glückes und der Dankbarkeit. Ich bin der glorreiche Kassierer unserer Gesellschaft. Es war ein Geld des Unglücks, aber wir nahmen uns vor, es in eine Münze des Glückes zu verwandeln, und jetzt haben wir die Gelegenheit dazu.“
Er zog seinen langen Beutel hervor, welcher das Geld enthielt, dessen Besitz wir dem Kampf in und bei Derekulibe verdankten, und öffnete ihn.
„Erlaubst du, Sihdi?“ fragte er mich.
„Gern!“ nickte ich, neugierig, wieviel er den beiden geben werde.
„So haltet eure Hände zusammen, um in denselben den Regen des Glückes aufzufangen.“
Janik war gar nicht langsam. Er hielt seine beiden Hände mit den Kleinfingerseiten zusammen und streckte sie dem Hadschi entgegen. Als Anka das sah, tat sie ebenso. Die offenen Hände hatten nun eine hohle, schüsselförmige Gestalt und konnten schon ein hübsches Stück Geld aufnehmen. Halef langte in den Beutel und begann zu zählen. Er legte abwechselnd immer je ein Goldstück in Ankas und in Janiks Hände und zählte dabei:
„Bir, iki, ätsch, dört, besch, alti, jedi, sekiz, dokuz, on –“ also bis zehn.
Er hatte lauter goldene türkische Pfundstücke aufgezählt, eins zu hundert Piastern, also jeder der beiden Personen tausend Piaster oder 180 bis 190 Mark nach deutschem Geld, für diese Leute aber eine ganz bedeutende Summe. Dann fragte er die beiden freudig Erstaunten:
„Wißt ihr auch, was Aktsche baschy (Agio) ist?“
„Nein“, antwortete Janik.
„Aktsche baschy ist der Betrag, um welchen das Gold mehr wert ist, als das Silber. Das ist jetzt acht auf das Hundert. Wenn ihr euch ein solches Goldstück wechseln laßt, so müßt ihr für die hundert Piaster Gold hundertacht Piaster in Silberstücken bekommen. Merkt euch das, denn es beträgt zweimal achtzig Piaster für euch beide.“
Diese geschäftliche Erklärung war gar nicht überflüssig. Hundertsechzig Piaster waren für das Paar eine nicht unbedeutende Summe. Aber sie hörten nur halb auf seine Worte. Ihr ganzes Denken und Empfinden konzentrierte sich in den Blicken, welche freudestrahlend auf die Goldfüchse gerichtet waren.
„Herr“, rief endlich Janik, „ist das ein Scherz, welchen du mit uns machst?“
„Es ist mein völliger Ernst“, antwortete Halef.
„Aber es ist doch gar nicht möglich! Tausend Piaster für mich und tausend für Anka – wer soll das glauben?“
„Was ihr in den Händen habt, ist euer, und was ich in den meinigen habe, gehört mir. Tut mit eurem Eigentum, wie ich es mit meinem Geld mache. Paßt auf!“
Er drehte den Beutel zusammen und schob ihn schmunzelnd in die Tasche. Sie aber zögerten, seiner Aufforderung Folge zu leisten.
„Dieses Geld – lauter Gold!“ rief Anka. „Sage es uns doch noch einmal, daß es uns gehören soll, sonst kann ich es nicht glauben!“
„Ob ihr es glaubt oder nicht, das ist mir sehr gleichgültig. Die Hauptsache ist, daß ihr es einsteckt und euch dann heiratet. Janik hatte es doch so eilig, also braucht er jetzt nicht so zu zögern.“
„Und doch muß ich erst den Effendi fragen. Das ist eine so große Summe! Wir brauchen gar nicht so viel, denn wir haben ja unsere Ersparnisse. Was sollt ihr für euch behalten, wenn ihr uns ein ganzes Vermögen schenkt?“
„Kümmere dich nicht um uns“, lachte der kleine Hadschi. „Wir wissen schon, wie man es anfangen muß, um ohne Geld zu leben. Wir reiten auf dem Jol mih-mandarlykün (Pfad der Gastfreundschaft – Vetterstraße). Und selbst unsere größten Feinde müssen uns Tribut zollen. Oder meint ihr etwa, daß wir Murad Habulam, eurem Herrn, auch nur einen einzigen Piaster schenken für das, was wir bei ihm genossen haben? Das fällt uns nicht ein. Hoffentlich erlaubt mir mein Sihdi, ihn mit einer ganz anderen Münze zu bezahlen, mit einer Münze, die zwar geprägt, aber auch geschlagen wird. Ihr seht, daß wir kein Geld brauchen. Ihr könnt diese wenigen Goldstücke also nehmen, ohne zu denken, daß wir nun darben werden. Übrigens haben wir uns seit kurzer Zeit die löbliche Gewohnheit angeeignet, jedem Spitzbuben, welcher uns in die Hände läuft, das abzunehmen, was er gestohlen hat, um es an
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