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16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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willst, so mußt du zunächst bis zum zwölften Jahr einen Subjahn mekteb (Elementarschule), dann eine Medresseh (Seminar) besucht haben, um den Titel Softa zu erhalten. Besitzt du diesen oder hast du ihn besessen?“
    „Das geht dich gar nichts an!“
    „Es geht mich sehr viel an. Wer über uns zu Gericht sitzen will, der muß uns beweisen können, daß er das Recht und die Befähigung dazu hat. Kannst du arabisch sprechen und schreiben?“
    „Ja.“
    „Auch persisch?“
    „Ja.“
    „Und kennst du den Koran vollständig auswendig? Denn das alles wird von einem Softa gefordert.“
    „Ich kann ihn auswendig.“
    „So beweise es! Rezitiere mir einmal die sechsundvierziger Sure, welche el Ahkaf genannt wird.“
    „Wie beginnt sie?“ fragte er verlegen.
    „Natürlich mit den Worten ‚Im Namen des allbarmherzigen Gottes‘, wie jede andere Sure.“
    „Das ist aber nicht der eigentliche Anfang.“
    „Nun, dieser lautet: ‚Die Offenbarung dieses Buches ist von Gott, dem Allmächtigen und Allweisen. Die Himmel und die Erde, und was zwischen ihnen ist, haben wir in Wahrheit nur auf bestimmte Zeit geschaffen; aber die Ungläubigen wenden sich weg von der Verwarnung, die ihnen geworden ist.‘ – Sprich weiter!“
    Er fuhr sich hinter das Ohr, um sich dort zu kratzen, und sagte dann:
    „Wer gibt dir denn das Recht, mich zu examinieren? Ich bin Softa gewesen, und du hast es zu glauben! Hütet die Tür, daß keiner dieser fremden Angeklagten entfliehen kann, und schafft augenblicklich die Kötek aleti (Prügelmaschine) herbei!“
    Er hatte den Befehl an seine Untergebenen gerichtet und fand raschen Gehorsam. Humun und Suef stellten sich zu beiden Seiten neben ihn, und die anderen nahmen zwischen uns und der Tür Platz, um uns die Flucht abzuschneiden. Eines der Dienstmädchen lief fort, um den geforderten Apparat zu holen.
    Jetzt setzte sich Habulam mitten im Zimmer nieder und winkte den beiden neben ihm, dasselbe zu tun.
    „Ihr seid die Schehadetschiler und Imdadlar (Zeugen und Beisitzer)“, sagte er, „und sollt mein Urteil bestätigen.“
    Die drei Wichte steckten jetzt so ernste Amtsgesichter auf, daß es mich Mühe kostete, nicht zu lachen.
    „Sihdi, wollen wir denn wirklich dazu schweigen?“ fragte mich Halef leise. „Das ist ja eine Schande für uns!“
    „Nein, sondern ein Vergnügen. Wir sind schon oft aus Angeklagten zu Anklägern geworden, und das wird jedenfalls auch heute geschehen.“
    „Ruhig!“ rief mir Habulam zu. „Wenn der Verbrecher vor Gericht sitzt, hat er zu schweigen. Janik, Anka, was habt ihr dort bei den Übeltätern zu schaffen? Ihr habt euch schwer gegen meine Befehle verfehlt und werdet nachher eure Strafe erleiden. Jetzt aber tretet ihr zurück.“
    Es war wirklich zu drollig! Wir hatten natürlich alle unsere Waffen bei uns, und dieser alte Sünder bildete sich wirklich ein, daß wir seinen Spruch respektieren würden. Janik blieb mit Anka bei uns stehen; darum wiederholte Habulam seinen Befehl in noch strengerem Ton.
    „Verzeihe!“ sagte ich. „Diese beiden Leute stehen seit heute in meinem Dienst.“
    „Davon weiß ich nichts.“
    „Ich habe es dir jetzt gesagt, also weißt du es nun.“
    „Ich verstehe dich: du hast sie mir abspenstig gemacht; aber das dulde ich nicht und werde sie außerdem noch bestrafen.“
    „Darüber sprechen wir später“, erwiderte ich ruhig. „Du siehst, daß die Gerichtsverhandlung beginnen kann.“
    Ich deutete auf die eben zurückkehrende Magd, welche die ‚Prügelmaschine‘ brachte und vor den Alten hinstellte.
    Man muß sich unter diesem Apparat eine lange, schmale, ursprünglich vierbeinige Holzbank denken, aus welcher an dem einen Ende die zwei Beine entfernt worden sind, so daß sie nur noch zwei eng nebeneinander befindliche Beine an der anderen schmalen Seite hat. Diese Bank wird verkehrt auf die Erde gelegt, so daß die Beine in die Höhe stehen. Der Delinquent muß sich mit dem Rücken auf das Sitzbrett legen, so daß seine Beine an den Beinen der Bank nach aufwärts gerichtet sind. So wird er festgeschnallt und empfängt nun die ihm verordneten Hiebe auf die nackten, waagrecht liegenden Fußsohlen.
    Welch eine schmerzhafte Strafe das ist, geht daraus hervor, daß oft schon beim ersten Streich die Sohle aufspringt. Ein geübter Khawaß schlägt quer über die schmale Fläche der Sohle; er fängt bei der Ferse an und hört bei den Zehen auf, so daß ein Hieb hart neben dem andern zu sitzen kommt. Der erste Schlag fällt

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