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16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gegen seine Gesetze handelte. Und was würden Suef und Humun sagen, wenn ich dir die Strafe schenkte, während sie die ihrige erdulden mußten!“
    „Zur Bastonade mit ihm!“ rief Suef.
    „Er bekomme die Hundert!“ stimmte Humun ein.
    „Da hörst du es!“ meinte Halef. „Allah will es, und wir wollen es auch. Komm also her! Lege die Länge deiner Glieder auf die Bank, damit wir dich anbinden.“
    Er faßte ihn beim Arm, um ihn niederzuziehen. Der schreckliche Alte krümmte sich wie ein Wurm und wimmerte wie ein Kind. Ich winkte Osco und Omar. Sie faßten mit an und drückten ihn auf die Bank.
    „Haltet ein, haltet ein!“ schrie er. „Ich muß ja daran zugrunde gehen! Wenn ich sterbe, so wird euch mein Geist erscheinen und euch nimmermehr Ruhe lassen!“
    „Sage deinem Geist, daß er es unterlassen möge!“ versetzte Halef. „Wenn er sich bei mir sehen ließe, würde er es bitter empfinden!“
    Er wurde trotz seines Sträubens festgebunden. Seine nackten, knöchernen Füße krümmten sich, als ob sie jetzt schon die zu erwartenden Schmerzen fühlten.
    „Wer nimmt den Stock?“ fragte Halef.
    „Du selbst“, antwortete ich.
    Er wollte widersprechen, aber ich winkte ihm Schweigen zu, und er verstand mich.
    „Freue dich, Murad Habulam“, sagte er, indem er nach dem Stock griff; „freue dich, daß ich es bin, welcher dir die Wohltat der Strafe reicht. Die hundert werden so sein, als ob es tausend wären. Das wird einen großen Teil deiner Sünden von deiner Seele nehmen.“
    „Barmherzigkeit! Gnade!“ flehte der Alte. „Ich will die Streiche bezahlen.“
    „Bezahlen?“ lachte Halef. „Du scherzt! Der Geiz ist dein Großvater, und die Habsucht ist die Mutter deiner Vorfahren.“
    „Nein, nein! Ich bin nicht geizig; ich bezahle alles, alles!“
    „Das wird der Effendi nicht gestatten; aber ich möchte doch gern wissen, wieviel du geben würdest, um den Hieben zu entkommen.“
    „Ich gebe euch gern für jeden Hieb einen ganzen Piaster.“
    „Also hundert Piaster? Bist du verrückt? Uns macht es für zehntausend Piaster Vergnügen und dir für zwanzigtausend Piaster Schmerzen, wenn du die Bastonade bekommst; das sind zusammen dreißigtausend. Und du bietest uns hundert! Schäme dich!“
    „Ich gebe zweihundert!“
    „Schweige! Ich habe keine Zeit, die Worte deines Geizes anzuhören. Ich muß beginnen.“
    Er stellte sich vor die nach oben gerichteten Füße des Alten, tat, als ob er mit dem Stock auf die zu treffende Stelle ziele, und holte scheinbar zum Schlage aus.
    „Allahy sewersin, döjme – um Gottes willen, schlage nicht!“ stöhnte Habulam. „Ich gebe mehr! Ich gebe viel, viel mehr!“
    Gewiß war die Situation, ja die ganze Prügelei kein ästhetischer Vorgang, und ich gestehe auch, daß ich ihr nicht etwa mit Erbauung beiwohnte; aber ich möchte doch die Leser bitten, nicht etwa von Unchristlichkeit oder gar von Roheit zu sprechen. Zugegeben, daß die Handlung nicht eine würdige genannt werden konnte; doch hatte sie ihre volle Berechtigung.
    Wir befanden uns nicht in einem zivilisierten Lande; wir hatten es mit Menschen zu tun, welche die beklagenswerten Zustände Halbasiens gewohnt waren. Vor allen Dingen ist zu bedenken, daß diese Leute Mitglieder einer weit verbreiteten und höchst gefährlichen Verbrecherbande waren, deren Vorhandensein nur auf Verderbnis der dortigen Zustände fußte. In Konstantinopel sogar und von dort an bis hierher nach Kilissely hatten wir es mit Subjekten zu tun gehabt, denen weder Eigentum, noch Leben ihrer Mitmenschen heilig war. Wir hatten in fortgesetzter Todesgefahr gestanden, und noch jetzt schwebte in jedem Augenblick das Verderben drohend über uns. Man hatte uns in wohlüberlegter und raffinierter Weise in dieses Haus gelockt, um uns umzubringen. Man hatte uns vergiften und – als das nicht gelungen war – erwürgen wollen; es war nach mir gestochen und geschossen worden. War es ein Wunder, daß sich unser Vier, die wir uns zu jeder Minute, des Tages und der Nacht, auf dem Qui vive befanden, eine ganz bedeutende Erbitterung bemächtigt hatte? Nach den gegebenen Umständen mußten wir auf die Hilfe der Behörde verzichten; wir waren ganz auf uns selbst angewiesen. Welche Strafe deckte sich mit den gegen uns gerichteten Anschlägen? War es etwa grausam oder gar blutdürstig, diesen gott- und gewissenlosen Schurken, welche sich in unserer Hand befanden, einige Hiebe geben zu lassen? Gewiß nicht! Ich bin vielmehr der Überzeugung, daß wir

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