16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
nur allzu mild und nachsichtig handelten.
Daß dem alten Habulam jetzt einige Minuten der Qual bereitet wurden, wer will uns daraufhin verdammen? Ich verfolgte einen guten Zweck dabei. Mag man von Nötigung, von Erpressung oder von anderem reden, mag man immerhin sagen, daß ich nach dem heimatlichen Gesetzbuch strafbar gewesen sei: – wir befanden uns eben nicht in Deutschland; wir hatten mit den gegebenen Verhältnissen zu rechnen, und ich bin bis heute noch nicht dazu gelangt, mir über mein damaliges Verhalten Vorwürfe zu machen.
„Mehr willst du geben?“ fragte Halef. „Wieviel denn?“
„Ich zahle dreihundert –“ und da der Hadschi abermals ausholte, fügte er schnell hinzu – „vierhundert, fünfhundert Piaster! Ich habe nicht mehr als fünfhundert.“
„Nun“, meinte der Hadschi, „wenn du nicht mehr hast, so mußt du eben die Gabe des Zornes hinnehmen. Wir sind freilich reicher als du. Wir haben soviel Hiebe übrig, daß wir ganz Kilissely damit beschenken könnten. Um dir das zu beweisen, werden wir großmütig sein und dir noch fünfzig zulegen, so daß du also hundertfünfzig erhalten wirst. Ich hoffe, daß dein dankbares Herz diese unsere Freigebigkeit anerkennen wird.“
„Nein, nein, ich mag nicht hundertfünfzig! Ich mag ja nicht einmal die hundert haben!“
„Sie sind dir aber zugesprochen, und da du als ein solcher armer Mann nur fünfhundert Piaster übrig hast, so ist an unserem Urteil nichts zu ändern. Omar, komm her, und zähle wieder! Ich will endlich beginnen.“
Er holte aus und gab dem Alten den ersten Hieb auf den rechten Fuß.
„Allah kerihm!“ schrie Habulam gellend. „Ich bezahle sechshundert Piaster!“
„Zwei!“ kommandierte Omar.
Der Hieb fiel auf den linken Fuß des Alten.
„Halt ein, halt ein! Ich gebe achthundert, neunhundert, tausend Piaster!“
Halef warf mir einen fragenden Blick zu, und als ich nickte, senkte er den bereits wieder erhobenen Stock und sagte:
„Tausend? – Herr, wie lautet dein Befehl?“
„Das wird auf Habulam ankommen“, antwortete ich. „Es fragt sich, ob er die tausend Piaster bar daliegen hat.“
„Ich habe sie! Sie liegen da!“ erklärte der Alte.
„So können wir uns die Sache überlegen.“
„Was gibt es da zu überlegen? Ihr bekommt das Geld und könnt davon dann in Freuden leben.“
„Du irrst. Wenn ich überhaupt die Gnade walten lasse, dir die Strafe gegen die Summe zu erlassen, so sind die tausend Piaster für die Armen bestimmt.“
„Tut damit, was ihr wollt; nur laßt mich los!“
„Um der Leute willen, für welche das Geld bestimmt ist, würde ich mich vielleicht bereit finden lassen; vorausgesetzt, daß du noch auf eine andere Bedingung eingehst.“
„Noch eine Bedingung? O Allah, Allah, Allah! Wollt ihr noch mehr Geld haben?“
„Nein. Ich verlange nur, daß du Janik und Anka sofort aus deinem Dienst entläßt.“
„Gern, gern! – Sie mögen laufen!“
„Du wirst ihnen ihren Lohn sofort und ohne allen Abzug auszahlen!“
„Ja, sie sollen alles erhalten.“
„Und sowohl ihm als auch ihr ein gutes, schriftliches Zeugnis geben!“
„Auch das.“
„Schön! Sie werden dein Haus gleich mit mir verlassen. Zu Fuß zu gehen, ist es für sie bis in die Gegend von Uskub zu weit. Sie werden sich zudem mit den Sachen, die ihnen gehören, zu belasten haben; darum wünsche ich, daß sie mit dem Wagen fahren, welcher unten im Schuppen steht.“
„Wai sana! Das fällt mir nicht ein!“
„Ganz nach deinem Belieben. Halef, fahre fort! Es kommt der dritte Hieb.“
„Halt, halt!“ kreischte der Alte, als er sah, daß Halef ausholte. „Es ist doch unmöglich, ihnen den Wagen zu geben!“
„Warum?“
„Sie würden mir ihn nicht zurückgeben.“
„Janik und Anka sind ehrliche Leute. Übrigens kannst du sie ja durch die Behörde zur Zurückgabe zwingen lassen.“
„Aber Uskub ist zu weit von hier!“
„Sagtest du nicht, daß sich dein Weib jetzt dort befinde?“
Er sträubte sich zwar noch eine Weile, endlich aber willigte er ein, daß Janik und Anka auf seinem Wagen und mit seinem Pferd bis Uskub fahren dürfen, wo das Gefährt seiner Frau übergeben werden sollte.
„Jetzt aber sind wir doch wohl fertig?“ fragte er mit einem tiefen Seufzer.
„Noch nicht. Du wirst mir auch ein schriftliches Geständnis dessen, was du mit uns vorhattest, unterschreiben.“
„Was willst du mit dieser Schrift tun?“
„Ich übergebe sie Janik. Sobald du dich ihm feindlich zeigst, wird
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