16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
ziemlich dieselbe, wie diejenige von Ostromdscha nach Radowitsch. Aber wir durchmaßen nur einen kleinen Teil derselben. So lange wir uns auf der Straße befanden, ging es im Galopp vorwärts. Dann bog der Führer rechts ab, zwischen zwei bewaldeten Höhen hinein, deren Tal von einem Bach durchflossen wurde.
Dieses Tal stieg rasch und ziemlich steil auf und dann sahen wir einen glatten, baumlosen Höhenkamm vor uns, welcher grad gegen Norden strich und dem wir im Trab folgten.
Was soll ich über die Gegend sagen? Man merkt sich bekanntlich nur diejenigen Orte gut, an denen man etwas erlebt hat, und dies war hier nicht der Fall. Der Korbflechter führte uns durch meist unbewaldete Gebiete, denen kein landschaftliches Interesse abzugewinnen war.
In Karbinzy, einem Dorf unweit des linken Ufers der Bregalnitza, machten wir Halt und verabschiedeten uns von ihm. Er erhielt noch eine Extrabelohnung, über welche er außerordentlich erfreut war. Dann ritten wir über den Fluß, um nach Warzy zu kommen, welches am rechten Ufer liegt. Durch dieses Dorf führt der schon vor alten Zeiten bekannte und viel benutzte Reitsteg, welcher die südlich von Istib liegenden Hauptorte mit Karatowa, Kostendil, Dubnitza, Radomir und schließlich Sophia verbindet. Wir setzten noch über die kleine Sletowska und befanden uns dann in dem Dorf Sbiganzy, dem heutigen Ziel unseres Rittes.
Ungefähr morgens neun Uhr nach unserer Zeit hatten wir Radowitsch verlassen, und um drei Uhr nachmittags kamen wir an. Bei gewöhnlichem Schritt hätten wir das Dorf vor nachts nicht erreicht.
VIERTES KAPITEL
In der Schluchthütte
Das Dorf Sbiganzy ist kein unansehnlicher Ort; ich möchte denselben, da es einen Bazar da gibt, lieber als Marktflecken bezeichnen. Mitten zwischen der Bregalnitza und der Sletowska gelegen, ist das Land gut bewässert und sehr fruchtbar. Und entgegen anderen Orten, durch welche wir gekommen waren, deutete die Bauart der Häuser darauf, daß die Bewohner sich einer gewissen Wohlhabenheit erfreuten.
Natürlich ließen wir uns sofort einen Khan zeigen. Er bestand aus verschiedenen Gebäuden, welche einen sehr großen Hof umschlossen, und machte den Eindruck eines kleinen Rittergutes. Man sah es der Wirtschaft sogleich an, daß der Besitzer ein Bulgare sein müsse. Und so war es auch.
Er empfing uns überaus freundlich, gab mir die vornehmsten Titel, wohl weil er ein Pferdekenner war und meinen Rih bewunderte, und lud uns ein, in die Stube zu kommen.
Der Mann hatte sogar zwei Stuben, eine für den gewöhnlichen Verkehr und eine bessere für diejenigen Gäste, welchen er eine Auszeichnung erweisen wollte.
Zwei Knechte mußten mich vom Pferd nehmen und in die vornehmere Stube tragen, wo es zu meinem Erstaunen ein Ding gab, welches aus einem Lehngestell bestand, auf welchem ein langes, breites und weiches Polster lag. Man hätte dieses Möbel beinahe ein Kanapee nennen können.
Als er den Blick bemerkte, mit welchem ich dieses Möbel betrachtete, auf das ich niedergesetzt wurde, sagte er, indem er selbstgefällig lächelte:
„Du wunderst dich, dieses Sofa hier zu finden, Herr? Es ist in Sophia gebaut und auf einem Wagen hierher gekommen. Du wirst das Rahat otturmak (wörtlich: Ruhe der Glieder = Sitzen mit untergeschlagenen Beinen nach Art der Orientalen) gewöhnt sein, denn ich sehe, daß du ein Muselmann und Hadschi bist; ich aber bin ein Christ und darf mit ausgestreckten Beinen sitzen. Da die deinigen geschwollen sind, so wirst du es sehr bequem finden.“
„Ich bin diese Art von Sitzen von Jugend auf gewöhnt“, lautete meine Antwort. „Ich bin kein Moslem.“
„Und trägst das Hamaïl der Mekkapilger!“
„Ist das verboten?“
„Ja, sehr streng.“
„Von wem?“
„Durch die Gesetze der Kalifen.“
„Die gehen mich als Christ nichts an. Ich habe auch nichts dawider, wenn ein Mohammedaner unsere Bibel bei sich trägt.“
„Wenn du ein Christ und an das Sofa von Jugend auf gewöhnt bist, so bist du wohl sehr weit her?“
„Ich bin aus Alemania.“
„O, das kenne ich genau!“
„Wirklich? Das freut mich.“
„Ja, es liegt neben Baweria (Bayern), wo die Wolga fließt, und neben Iswitschera (Schweiz), wo die Tuna (Donau) in den Ak deniz adalary (Mittelländischer Archipel) mündet.“
„Mit Freuden höre ich, daß du die Grenzen meines Vaterlandes kennst. Solche kenntnisreichen Leute gibt es hier sehr selten.“
„Weil sie nichts lernen wollen und nicht merken können“, antwortete er
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