16 Tante Dimity und das verhexte Haus (Aunt Dimity and the Family Tree)
Garten. Gute Nacht, William. Und vielen Dank.« Hastig durchquerte sie das Zimmer, verschwand hinter dem Vorhang, und weg war sie.
Bill kam herüber und setzte sich auf den Stuhl, auf dem eben noch Sally gesessen hatte.
» Ich bin froh, dass sie den Fluss erwähnt hat«, sagte er grinsend. » Ich hatte mich schon gefragt, woher die Schlammspritzer auf ihrem Trainingsanzug stammen. Ja, ja…« Er stieß einen leisen Pfiff aus. » Wer hätte das gedacht? Sally Pyne– eine Femme fatale.«
» Das ist überhaupt nicht lustig«, sagte ich vorwurfsvoll. » Sally hat allen Grund, sich wegen der Dorfbewohner Sorgen zu machen. Wenn sie herausfinden, was für eine Show sie in Mexiko abgezogen hat, werden sie ihr das Leben zur Hölle machen.«
» Das ist richtig«, stimmte Bill mir zu. » Sally hat sich selbst eine Grube gegraben.« Er bedachte seinen Vater mit einem forschenden Blick. » Hört sich an, als wolltest du zu ihr hineinspringen, Vater. Was hast du vor?«
» Mich schlafen zu legen«, erwiderte Willis senior einfach. » Und ich schlage vor, dass ihr es mir gleichtut. Lasst uns morgen nach der Kirche wieder hier zusammenkommen– das heißt heute Vormittag–, um uns eine Strategie zu überlegen, die es Mrs Pyne erlaubt, sowohl ihre Freundschaft mit Señor Cocinero aufrechtzuerhalten, als auch ihr Gesicht vor den Dorfbewohnern nicht zu verlieren.« Er beugte sich vor, und obwohl er sowohl Bill als auch mich ansprach, sah er nur mich an. » Ich möchte euch beide nochmals daran erinnern, dass alles, was in diesem Raum gesprochen wird, strengster Geheimhaltung unterliegt.«
» Mein Mund ist versiegelt«, sagte ich, » und dein Sohn ist Anwalt– er hat also gelernt, die Klappe zu halten.«
» Und die Augen werde ich jetzt auch verschließen«, sagte Bill gähnend. » Komm, Lori. Kit und Nell denken bestimmt schon, wir hätten sie vergessen.«
Als wir uns von Willis senior verabschiedeten, warf ich einen Blick auf meine Uhr. Obwohl es bereits zwei Uhr früh war, hatte ich immer noch genügend Energie, um eine äußerst wichtige Aufgabe zu erledigen. Bill konnte ruhig in das Land der Träume segeln, sobald wir im Cottage waren. Aber ich würde noch einen kleinen Schlenker ins Arbeitszimmer machen.
Ich musste dringend mit Tante Dimity sprechen.
5
Nell Smith saß im Schein einer Leselampe in dem chintzbezogenen Sessel beim Kamin und war in ein Buch vertieft, als Bill und ich das Wohnzimmer betraten.
Nells Schönheit erstaunte mich immer wieder aufs Neue. Seit ihrer Heirat war sie fast noch ätherischer geworden. Ihr sanft gewelltes blondes Haar umrahmte ihr makelloses ovales Gesicht, und ihre mitternachtsblauen Augen strahlten eine Zufriedenheit aus, nach der sich die meisten Menschen vergeblich sehnen. Die Aura des vollkommenen Glücks, die sie umgab, war beinahe greifbar.
Kit, der das gute Aussehen seiner jungen Frau teilte, schlief zusammen mit Stanley auf dem Sofa. Doch als die geschmeidige schwarze Katze ihn als Trampolin missbrauchte, um mit einem Satz bei Bill zu sein, wachte er erschrocken auf. Während Kit sich aufsetzte und sich die Augen rieb, strich Stanley um Bills Beine herum und schnurrte verzückt. Stanley mochte mich und die Zwillinge sehr, aber Bill betete er geradezu an.
» Muss wohl eingeschlafen sein«, murmelte Kit und fuhr sich mit der Hand über sein kurzes, vorzeitig ergrauendes Haar. » Hat William seine Party genossen?«
» O ja, sehr«, antwortete ich. » Tut mir leid, dass wir so spät dran sind. Aber kurz nach Mitternacht sind zwei potenzielle Kandidaten für die Stelle des Hausmeisterpaars eingetroffen, und wir wollten warten, bis William mit dem Vorstellungsgespräch fertig war.«
» Wie lautet sein Urteilsspruch?«, fragte Kit.
» Sie haben die Stelle bekommen«, verkündete ich. » Deirdre Donovan als Williams Köchin und Haushälterin. Und Declan, ihr Mann, wird sich um den Garten und die Instandhaltung des Hauses kümmern.«
» Du bist bestimmt erleichtert«, sagte Nell und sah mich vielsagend an.
» Ich bin hin und weg. Nun, da William das Persnal-Problem gelöst hat, kann ich mich endlich wieder um meinen eigenen Haushalt kümmern.«
» Ich bin froh, dass er nicht mehr allein ist«, sagte Nell nachdenklich. » Fairworth ist zu groß für einen einzelnen Menschen.«
» Ja, mir hat der Gedanke, dass er allein dort wohnt, auch nicht behagt«, erwiderte ich. » Die Tatsache, dass Deirdre und Declan da sind, um nach ihm zu sehen, wird mich besser schlafen lassen.
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