16 Tante Dimity und das verhexte Haus (Aunt Dimity and the Family Tree)
sich in seinem Kindersitz ordentlich angeschnallt hatte. » Ich habe die bizarrsten Gerüchte über Williams Gast gehört.«
» Gibt es sonst noch etwas Neues?«, fragte ich, ohne mich umzudrehen.
» Ist es wahr, dass er ein kolumbianischer Drogenbaron ist, der ein geheimes Abkommen mit der CIA ausarbeiten will?«, fragte sie weiter. » Oder ein brasilianischer Filmstar, der im Begriff ist, sich von seiner fünften Frau scheiden zu lassen? Oder ist er womöglich ein argentinischer Fußballspieler, der hinter dem Rücken seines Agenten einen neuen Vertrag aushandeln möchte?«
Ich richtete mich so jäh auf, dass ich mit dem Kopf an den Türrahmen des Wagens prallte. Nicht einmal meine jahrelange Erfahrung mit der Dorfgerüchteküche hatte mich auf einen derartig abstrusen Schwachsinn vorbereiten können.
» Er ist nichts davon«, sagte ich entrüstet und rieb mir meinen schmerzenden Hinterkopf. » Hör zu, Emma, du bist schließlich meine Freundin, also werde ich dich nicht anlügen. Ich bin leider nicht befugt, dir zu sagen, wer Williams Gast ist, aber glaub es mir, er ist weder ein Drogenbaron noch Schauspieler noch Fußballer.«
» Okay«, sagte sie gleichmütig. » Wirst du mir irgendwann die Wahrheit sagen?«
» Das weiß ich nicht. Es ist leider nicht mein Geheimnis, sonst würde ich dich einweihen.«
» Nun gut, da musst du wohl verschwiegen sein.« Sie beugte sich näher zu mir und blinzelte mit ihren graublauen Augen. » Ich kann es nicht erwarten, zu hören, womit die Dorfbewohner als Nächstes daherkommen.«
» Etwas Hanebücheneres als einen kolumbianischen Drogenbaron kann ich mir nicht vorstellen.«
» Aber unsere lieben Mitbürger können es bestimmt«, sagte sie vergnügt.
Statt zu antworten, rollte ich die Augen, rief Kit und Nell einen Abschiedsgruß zu und stieg in den Rover. Ich fragte mich, wie viele Blüten die örtliche Gerüchteküche noch treiben würde, bis ich sie mit meiner Geschichte vom Tierpräparator zum Verstummen brachte.
Ich tauschte mein Kleid gegen eine Baumwollbluse, Shorts und meine bequemen alten Turnschuhe, ehe ich den Jungen half, sich etwas Sauberes anzuziehen. Einen Hauch Pferdeduft konnte ich sehr gut ertragen, aber nach ihren Reitstunden rochen meine Söhne wie Pferdeknechte, und das war des Guten dann doch zu viel.
Während ich ein einfaches, gesundes und fettarmes Mittagessen zubereitete, ließen mir Will und Rob einen detaillierten Bericht zuteilwerden, wie sie den Vormittag, mit dem Üben des so genannten Notfallabsitzens verbracht hatten. Obgleich ich genau wusste, dass mich die bildhafte Vorstellung davon, wie sich meine geliebten Kinder wiederholt aus dem Sattel stürzten, die nächsten Tage über verfolgen würde, kam ich doch meiner mütterlichen Pflicht nach, indem ich meine jämmerliche Angst verbarg und stattdessen Begeisterung heuchelte.
Ich tat mir eine Hühnerfrikadelle und Gurkensalat auf den Teller und beobachtete, wie sich die Zwillinge mit großem Appetit über ihr Essen hermachten. Nie würde ich eine Gourmetköchin vom Kaliber einer Deirdre Donovan werden, aber es war tröstlich, zu wissen, dass meine Familie meine Kochkünste als erstklassig erachtete.
» Können wir nach dem Mittagessen Großvater besuchen?«, fragte Will.
» Nein, das geht leider nicht«, erwiderte ich. » Großvater hat Besuch, und ihr werdet auch welchen haben. Ihr wisst doch, Piero Hodge kommt heute Nachmittag zum Spielen.«
» Ich mag Piero.« Rob nickte besonnen. » Er hat mal einen Wurm gegessen.«
» Keinen ganzen Wurm«, wandte Will ein. » Er hat nur von einem abgebissen.«
» Warum denn?« Ich zog eine Grimasse.
» Weil Clive Pickle gesagt hat, er würde sich das nicht trauen«, erklärte Rob.
» Der arme Wurm«, sagte ich traurig.
» Ist schon okay, Mami«, sagte Will. » Der Wurm war ja tot.«
» Da bin ich aber erleichtert.« Ich hielt mir die Hand vor den Mund und unterdrückte einen Brechreiz. » Fordert euch Clive Pickle auch zu solchen Dummheiten heraus?«
» Die ganze Zeit«, sagte Rob. » Aber wir beachten ihn gar nicht.«
» Daddy sagt, es lohnt sich nicht, Clive Pickle zuzuhören«, verkündete Will.
» Wie klug euer Daddy ist.« Ich stand auf. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass kleine Jungen es lieben, von ekelerregenden Abenteuern zu berichten, aber ich hatte nicht vor, meine Jungs noch dazu zu ermutigen, vor allem nicht während der Mahlzeiten. » Stellt eure Teller bitte in die Spüle und putzt euch dann die Zähne. Piero
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